Wortklang alleine genügt nicht

■ Hammoniale: Estnisches Theater ohne Übersetzung

Daß die Organisatorinnen bei einem estnischen Theaterstück keine Übersetzung bereithielten, war wohl für die meisten im Publikum bei Mati Unts Stück Männermörderinnen von der Freien Theatergruppe Tallinn etwas überraschend. Wer sich im Vorhinein nicht genau über die Thematik des Stückes informiert hatte, für den mußte die Szenencollage auf der Grundlage klassischer Dramen und estnischer Sagen, aus Kafka und Ingeborg Bachmann sehr rätselhaft bleiben - ausgenommen die Vollblutbildungsbürger, die ihren Euripides im Schlaf zitieren, denen beim Anblick dreier Frauen schon Drei Schwestern einfallen und die auf Zuruf minutenlange Monologe halten, wenn sie den Namen „Judith“ hören. Dem Rest blieb nur der beachtliche ästhetische Genuß.

Drei ausgesprochen schöne Schauspielerinnen (Maria Avdjushko, Kristel Leesmend, Viire Valdma) erweckten jede für sich durch ihre ungeheure Bühnenpräsenz das Stück zum Leben und bescherten auch den nicht Eingeweihten einen lohnenden Theaterabend. Als besagte „Drei Schwestern“ während der Rahmenhandlung bildeten sie eine Einheit, in ihrer Verzweiflung und Überdrüssigkeit aufs Engste miteinander verbunden. Dann schlüpften sie in wechselnde Rollen, spielten auch die Männerparts und überzeugten in komischen Einlagen. Sie sind die grausamen, die leidenden, die verführenden Frauen, die immer die überlegen bleiben. Zwei männliche Schauspieler sind bloße Staffage, dürfen höchstens mal über die Gottesanbeterin philosophieren, die das Männchen nach der Begattung verspeist.

Mati Unt schrieb und inszenierte mit Männermörderinnen ein Stück, in dem er die dunklen Seiten bekannter Frauengestalten ins Licht rückt. Ein interessanter Versuch, das Abgründige, Angsteinflößende und gleichzeitig Faszinierende, was Männer an Frauen finden oder in sie hineininterpretieren, etwas besser faßbar zu machen — hätte man denn verstanden, was da gesprochen wurde.

Birgit Maaß