■ Klaus Bednarz
: Berichterstattung, die Nachahmungstäter aktiviert

Jede Tat gegen Ausländer ist eine Tat im Interesse Deutschlands. Zu denen, die dazu beigetragen haben, daß diese Stimmung immer weitere Kreise unserer Bevölkerung erfaßt, gehören in nicht unerheblichem Maße Politiker fast aller Couleur – vor allem aber einer – sowie große Teile der Medien. Die Propagierung einer Ideologie, die wegführt von demokratischen Errungenschaften und hin zu einem Gesellschaftsmodell, das Züge eines völkischen Nationalismus annimmt, war nur möglich dank einer allzu bereitwilligen Handreichung seitens großer Teile der Medien.

Die Rede ist hier nicht von jenen journalistischen Kriminellen, denen zur Auflagen- und Einschaltquotensteigerung buchstäblich jedes Mittel recht ist. Von der „Bild-Zeitung“ einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema „Zuwanderer“ zu erwarten, ist so aussichtsreich wie die Forderung nach einer Zusammenlegung von Ostern und Weihnachten.

Aber wenn selbst in seriösen Blättern und Nachrichtensendungen bis auf den heutigen Tag statt „Asylbewerber“ oder „Flüchtlinge“ der pejorative Begriff „Asylanten“ benutzt wird, á la „Spekulanten“, „Simulanten“, „Querulanten“, und dann gar gedankenlos oder vorsätzlich verbale Bedrohungsfiguren aufgebaut werden wie „Asylantenstrom“, „Asylantenwelle“, „Asylantenflut“, stellt sich die Frage, ob es nicht wenigstens einen Redaktionskollegen gibt, der auf das politisch wie journalistisch Unverantwortliche dieses Vokabulars hinweist.

Und niemand sage, dies sei nur ein Problem der Boulevardpresse. Formulierungen, die auf rassistische Überzeugungstäter schließen lassen, finden sich auch in Blättern, die sich für die Flagschiffe des deutschen Journalismus und den Ausbund von Seriosität halten.

In die Diskussion um die Rolle der Medien bei der Auseinandersetzung mit Rassismus und rechtsradikaler Gewalt gehört auch die Frage nach der Rolle, die Hörfunk und Fernsehen in der Bundesrepublik dabei spielen. So unbestreitbar das Bemühen zumindest vom öffentlichen-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen um eine qualifizierte und vielfältige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist, so groß sind die Zweifel an der Wirkung.

Vor dem Hintergrund der jüngsten gesellschaftspolitischen Entwicklung in Deutschland empfinden sich viele Programmacher wie Alexander Kluges Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos. Haben sie sich zuviel mit der Vergangenheit beschäftigt und damit den Effekt des Überdrusses, ja sogar eine Trotzreaktion ausgelöst? War das Programmangebot trotz allem zu spärlich, waren die Lücken zu groß und die Formen der Vermittlung von zu geringer Akzeptanz?

Die Frage: „Versenden oder verschweigen“ ist heute so aktuell wie je. Da gibt es auf der einen Seite die Informationspflicht der Medien, zum anderen die gesicherte Erkenntnis, daß selbst noch so kritische Berichterstattung Nachahmungstäter aktiviert, Sympathisanten mobilisiert, Gedankengut und Handlungsweisen, die es zu bekämpfen gilt, popularisiert.

In besonderer Weise stellt sich dieses Problem dem Medium Fernsehen, das mit dem Bild non-verbale Informationen und Emotionen transportiert, gegen die selbst der engagierteste und einfühlsamste Kommentar machtlos ist. Ein Trupp Trommeln schlagender, unter wehender Reichskriegsflagge im Gleichschritt durch Dresden maschierender Neonazis dürfte – groß ins Bild gerückt - bei entsprechender psychischer Prädisposition durchaus den Wunsch erwecken, mitzumarschieren.

Die Kamera als Zeitzeugin, als Aufklärerin, als Voyeurin, als Anstifterin – wer mag sich anmaßen, da die genauen Grenzen zu kennen? Die Ehtik des Mediums ist nur bedingt in Regeln zu fassen – und Regelverletzungen oft nur am subjektiven Empfinden festzumachen.

Sicher: unsensibler Umgang mit Sprache und Bildern, Reportagen aus Hoyerswerda und Rostock, die an Sportberichterstattung erinnern, klägliche Versuche sich selbst überschätzender Show-Master, ausgebufften rechten Politprofis Paroli bieten zu wollen – all das sind Fehlleistungen des Mediums, die erklärbar, wenn auch nicht entschuldbar sind.

Doch es hieße die Medien überfordern, wollte man von ihnen erwarten, mehr zu leisten als andere Teile der Gesellschaft und der Politik. Sie können im Spannungsfeld der gesamtgesellschaftlichen Kräfte nur Angebote machen.

Und von keinem Lokalredakteur und von keinem Leitartikler ist zu erwarten, daß er Spezialkenntnisse besitzt auf all den Gebieten, über die er zu berichten hat. Doch zumindest einige Grundregeln seines Handwerks sollte er beherrschen. Und dazu gehört zu allererst ein sensibler Umgang mit der Sprache. Auch mangelnde Sachkenntnis ist niemandem vorzuwerfen. Wohl aber mangelnde Bereitschaft, sich sachkundig zu machen.

Wenn immer wieder von der angeblich besonders hohen Kriminalität der Ausländer die Rede ist, so genügte eigentlich ein kleiner Hinweis auf die vielen veröffentlichten Untersuchungen zu diesem Thema, um die Proportionen zurecht zu rücken. Der Unterschied zwischen Tätern und Tatverdächtigen, der Zusammenhang zwischen sozialer Situation und krimineller Anfälligkeit und die Existenz eines gespaltenen Rechtswesens – Recht für Deutsche/Ausländerrecht – müßte eigentlich auf jeder Journalistenschule zu vermitteln sein.