■ Nachgefragt
: "Wir brauchen die Macht"

taz: In Bremen wird zur Zeit die Diskussion um den Erhalt der völlig eigenständigen Frauengleichstellungs-Stelle geführt. Spricht aus niedersächsischer Erfahrung irgend etwas für eine solche Unabhängigkeit der Zentralstelle für die Gleichberechtigung der Frau?

Waltraud Schoppe: Wenn man sich die Geschichte der Frauenpolitik anguckt, dann hat es da eine Phase gegeben, in der es darauf ankam, zunächst einmal Bewußtsein zu schaffen für die besondere Situation der Frauen in der Gesellschaft — für ihre von den Männern unterschiedlichen Lebensmodelle, Lebensstile usw. Über diese Aufklärungsphase sind wir aber längst hinaus.

Jetzt geht es darum, für die Frauen die Strukturen so zu verändern, daß sie gleichberechtigt an den Möglichkeiten unserer Gesellschaft partizipieren können. Und wenn man das will, dann muß man Einfluß und Macht haben. Und das hat man nur dann, wenn man gleichberechtigte Partnerin ist in einer Landesregierung. Das heißt, es muß eine Ministerin oder Senatorin sein, sie muß ein eigenes Ministerium haben, sie muß federführend sein bei Gesetzesinitiativen, sie muß Geldtöpfe haben, die sie verteilen kann.

Nun sagt Ursel Kerstein, sie habe bewußt auf eine Stimme im Senat verzichtet, da sie sonst ja auch an alle Beschlüsse des Senats gebunden gewesen wäre und sie in der Öffentlichkeit nicht hätte kritisieren können.

Meine Erfahrung hier in Niedersachsen ist, daß auch ich manchmal querstehe zu dem, was im Kabinett verabschiedet wird, daß ich aber dann, wenn ich parteiisch für die Frauen Politik mache, das natürlich auch in der Öffentlichkeit äußern kann. Im Kabinett zu sitzen, heißt doch nicht, daß man mundtot ist.

Ich sehe das völlig anders als Ursel Kerstein, die ich im übrigen sehr schätze. Wir haben in Niedersachsen in den dreieinhalb Jahren, die wir das jetzt machen, soviel für die Frauen durchsetzen können — aber nur deshalb, weil wir eigenes Geld hatten und selber bei Gesetzesvorlagen federführend waren.

Zum Beispiel?

Das Anti-Diskriminierungsgesetz, das Frauenbeauftragten-Gesetz, die Möglichkeit des ambulanten Schwangerschaftsabbruchs. Und wir arbeiten auch intensiv mit an anderen Gesetzen — das neue Hochschulgesetz zum Beispiel trägt ganz deutlich auch unsere Handschrift.

In Bremen ist die Situation insofern etwas anders, als es kein Geld gibt. Es gibt in Bremen jetzt 14 Stellen im Frauenbereich, das werden sicherlich nicht mehr werden. Deshalb stellt sich die Frage so: Soll die Zentralstelle ausgedünnt werden, um die Frauensenatorin zu stärken?

Natürlich müßte eine Stadt wie Bremen auch eine Frauenbeauftragte haben, die insbesondere auf Einzelfälle, die ihr vorgetragen werden, reagieren kann. Aber an einem eigenständigen Frauenressort führt deshalb trotzdem kein Weg vorbei. Auch Niedersachsen hat ja nicht viel Geld. Aber man kann doch nicht immer dann, wenn die Frauen ihre Rechte durchsetzen wollen, mit der Geldfrage argumentieren.

Gibt es eigentlich noch ein anderes Bundesland, das wie Bremen kein richtiges Frauenministerium hat?

Bremen hat da wirklich eine Außenseiterposition, die wir sonst nur noch aus den südlichen Ländern Bayern und Baden-Württemberg kennen. Da ich ja selbst in Bremen geboren bin und Bremen als liberale, aufgeschlossene und aufgeklärte Stadt schätze, denke ich: Es wäre gut, wenn auch Bremen endlich eine starke Frauenministerin hätte. Fragen: Dirk Asendorpf

hier bitte das

Foto von Waltraut Schoppe

das per Belichter aus

Berlin gekommen ist!

Foto: Jürgen Siegmann / Signum