Sanssouci
: Vorschlag:

■ „Butzbacher und Brommelmeier“ wieder im Mehringhof

Sein Bauch gleicht einer haarigen Raupe, und so kriecht er auch. Dazu läßt „der Dicke“ unablässig Spuckefäden aus dem Mund, um sie gleich wieder zurückzuziehen. Ein denkwürdiger Ausdruckstanz begleitet diese Jojobewegung.

„Der Dicke“ kennt keine Scheu vor Selbstverdummung. Mit erstaunlicher Eleganz manövriert er sich selbst in – und durch – prekärste Situationen. Dumpf stieren seine Augäpfel ins Publikum, langsam spiegeln debile Mienenvariationen die permantenten Rollenwechsel in seinem Gesicht. „Der Dicke“ ist Butzbacher von „Butzbacher und Brommelmeier“ (das sind Martin Pollkläsener und Hans König), beide gehören zum Theatre du pain aus Bremen. Unterstützt von Janine Jaeggi und Michael Pundt als Erzählerin und Erzähler, bereiten die beiden derzeit höchst verwunderliche Stunden im Mehringhof.

Aus unerfindlichen Gründen bleiben die Stuhlreihen dort licht. Vielleicht macht sich da bereits Hauptstadtsnobismus breit, wer weiß. Für die geistvoll hochstapelnden Interpretationen „platter“ Blicke nämlich ist auch seitens der ZuschauerInnen zumindest ein Sinn für Poesie und Hintergründigkeit vonnöten. Butzbacher und Brommelmeier also stehen auf der Bühne und stellen ihre abstrus-alltäglichen Erlebnisse während ihres Korsika-Urlaubs nach. Ihre Körpersprache ist langsam und pointiert. Schelmisch fügen sich nebenbei ironische Gesten ein. Parallel dazu kleiden abwechselnd Jaeggi oder Pundt das Dargestellte zwischen den Dialogen in Worte. Also will es der Text folgendermaßen: „Butzbachers Augen hüpfen häschenhaft über die Mittelpunkte jeweils vierer Kacheln.“ Und tatsächlich hüpfen da Augen, später dann biegen sie dicke Balken, was die Korsika- Abenteurer schlußendlich selbst wüst entsetzt. Auf einer Bootsfahrt tragen die beiden Urlauber eine Kombination „hauchdünner, durchdacht amorpher Windblousons von aktueller Farbe“. Dazwischen sorgen Slapstick-Elemente und Bonmots, ebenfalls am Rande serviert, für Tempo und Lacher. „Hast du was?“ – „Nein“ – „Ah, ich dachte grade“ – „Das überlasse besser mir.“

Die 25 Mikrodramen aus der Feder des Theatre du pain kreisen um Liebeskummer, Kartenschreiben, Katzenliebe, Männersuff, verhandeln Neid, Angst und andere absolute Nebensächlichkeiten. Ein banaler Putztag gerät da zum halsbrecherischen Ausflug mit einem fliegenden Teppich, und der Uralt-Staubsauger mimt dabei den Motor (schließlich leben wir im Zeitalter der motorisierten Fortbewegung). Gleich darauf, nachdem wir die „Logik der Hoffnung“ kennengelernt haben, befinden wir uns im Beichtstuhl, wo die beiden als Spiel im Spiel die Liebe zwischen der Hofdame Anastasie und dem Jesuiten Piotr nachstellen.

Hier zeigt sich das wahre Talent der beiden: Als der Pater zur Motorsäge greift, um das Holzgitter zwischen den Liebenden zu beseitigen, reißt der, vom Spieleifer gestählt, derart brüsk am Anlasser, daß dieser reißt. Und wie lässig wird die Panne da überbrückt: Sogar eine zweite elektrische Motorsäge ist noch im Reisegepäck. Korsika für Anfänger mit Butzbacher und Brommelmeier: wärmstens empfohlen. Petra Brändle

Heute und morgen, 21 Uhr im Mehringhof, Gneisenaustraße 2a