Der 3. Oktober

■ Nichts weiter als ein Sonntag im Kalender

In wenigen Tagen gibt es den Tag der Einheit. Das erinnert mich an frühere Diskussionen um den 8. Mai, den einige „Tag der Befreiung“ andere den „Tag der Kapitulation“ nannten. Das hing jeweils vom eigenen Standpunkt oder der staatlichen Sprachregelung ab.

Auch der 3. Oktober war für einige — und das waren nicht wenige — ein Tag der Kapitulation des auf vielen Gebieten sozial besseren Systems vor dem ökonomisch überlegenen System (manche sahen sogar einen Verrat von Politikern von Gorbatschow bis Krause). Andere und ihre Zahl erhöhte sich später durch die vielen Mitläufer, die plötzlich Opfer gewesen sein wollten, sahen einen Tag der Befreiung. Mancher Bürgerrechtler allerdings sah sich in seinen Hoffnungen getäuscht, saßen und sitzen doch alte Bekannte und die Aalglatten wieder oben und die kleinen Leute unten. Diese werden zum Teil noch durch Arbeitslosigkeit, Rentenkürzungen und ähnlichem bestraft.

Für einige ist der Tag also ein Tag zum Feiern, haben sie doch neue Freiheiten erhalten: Natürlich können auch die Spekulanten und auch „seriösen“ Unternehmen feiern, die große Bodengewinne erzielten, ihre Umsätze erhöhten und so die 1990 anstehende Krise auf Kosten der Brüder und Schwestern im Osten hinauszögerten.

Doch Bischofferode beweist, daß nicht alle Kälber ihre Metzger selbst wählen. Für Hunderttausende ist der 3. Oktober also weiter nichts als ein Sonntag im Kalender. Gerhard Rosenberg, Berlin