■ Tour d'Europe
: Verlagsspagat

Die Buchumsätze in Ost und West stagnieren oder bewegen sich nur in kleinen Schritten vorwärts. Der wohl spektakulärste „Ausstieg“ eines ehedem hoffnungsvollen Neueinsteigers von 1990 war der Anfang August eingeleitete Konkurs des Saale-Verlags Jena. Der Gründer und Betreiber dieses Hauses, der zu DDR-Zeiten überaus erfolgreiche Schriftsteller Heinz-Joachim Petzold, scheiterte an einer Million Mark offener Forderungen. Den Mitarbeitern, so war zu hören, habe Petzold wenig Spielraum für eigene Verantwortungsübernahme gelassen. Und auch im Sachsenbuch-Verlag Leipzig, der sich nach seiner Gründung vor drei Jahren relativ schnell als anspruchvoller Verlag für Regionalliteratur etablierte, ist die Stimmung derzeit eher gedämpft. „Der größte Erfolg ist, daß es uns noch gibt“, meinte Klaus Hörhold, einer der drei Gesellschafter dieses ebenfalls auch noch buchhändlerisch engagierten Unternehmens, erst unlängst gegenüber einem Fachblatt.

Konrad Reich, einer der gewieftesten Branchenvertreter, dessen verlegerische Verdienste aus seiner langjährigen Praxis als Chef des Rostocker Hinstorff-Verlags herrühren, hat – trotz ebenfalls großer Erfolge bei der Edition von regionaler Literatur im gleichfalls 1990 gegründeten Konrad Reich Verlag Rostock – inzwischen das Publikationsprogramm auf ein Minimum reduziert.

Ganz anders hingegen scheint das Bild in Berlin zu sein, wo nicht nur Christoph Links trotz einiger Ernüchterung nach wie vor zuversichtlich in die Zukunft blickt. Zwar hat sein Verlag, von Scientologen in mehrere Prozesse verwickelt, die alle zugunsten von Links und den Autoren des Sachbuchs „Der Sekten-Konzern“ entschieden wurden, dadurch viel Publicity erlangt, was sich auch in den Umsätzen niederschlägt. Doch hat dies natürlich auch einige Nerven und manche Mark gekostet. Denn unter dem Strich habe man bisher „draufgezahlt“.

„Draufgezahlt“ hat bislang auch Mathias Oehme, Inhaber der Unabhängigen Verlagsbuchhandlung Ackerstraße (und der dem Haus angeschlossenen Buchhandlungen), durch den ziemlich spektakulären Erwerb des zuvor im Treuhand-Fundus zum Verkauf feilgebotenen Ostberliner Verlagsduos Eulenspiegel/Das Neue Berlin. Doch sieht Oehme diese Investition als Wechsel auf die Zukunft. Denn nunmehr ist seine Unternehmung nicht nur namentlich erweitert worden, sondern auch programmatisch.

Ähnlich liegen die Hoffnungen auch beim Leipziger Dietmar Thom, der wohl zu den beharrlichsten Verlagsleuten der jüngeren Generation in Deutschland-Ost gehört. Nachdem er längere Zeit die Geschicke des nach der Wende bekanntgewordenen Forum-Verlags Leipzig leitete (und schließlich auf Grund mancher ideeller Mißstimmung dieses Haus verließ), etablierte er sich nun mit einem eigenen Verlag, dessen erster Titel („Die Liebe in den Zeiten der Kohl-Ära“) zum Geheimtip avanciert ist.Michael Hinze