Anders als alle anderen

■ Wie die taz-Finanzen funktionieren: Mit anderen Zeitungen kaum vergleichbar / Die Post will zum Jahresende wieder mehr Geld

Immer wieder Defizite, alle naselang ein Hilferuf an die LeserInnen, soll's jedes Jahr so weitergehen? Wenn's nach uns geht, nicht. Wir tazlerInnen möchten nur zu gern, daß die taz sich nach allen Regeln des Marktes behauptet, weder Berlin-Subventionen noch Geschenkabos, weder Kettenbriefe noch Rettungsaufrufe zum Überleben braucht.

Doch die Bedingungen einer solchen politischen Zeitung sind andere als die unserer großen Konkurrenz. Ein Verlagshaus hätte eine Zeitung wie die taz mangels Profit-Aussicht niemals aufgemacht – oder gleich wieder zumachen müssen. Die taz ist als Ausdruck einer breitgefächerten politischen Szene, als Kind der 68er und Schwester von Öko- und Friedensbewegung entstanden, ihre LeserInnen sind so breit über die Republik gestreut, daß ihr – anders als der Frankfurter Rundschau oder der Süddeutschen Zeitung – ein regionales Standbein fehlt, das für drei Viertel der Auflage sorgt und dort den Anzeigenmarkt beherrscht.

Mit einer Auflage, die auch auf absehbare Zeit nicht die 400.000 von FAZ und Süddeutscher Zeitung erreichen wird, läuft das Anzeigengeschäft der taz nur sehr mühselig. Wegen der relativ geringen Auflage werden wir von den Mediaagenturen nicht eingeplant. Und schon aus politischen Gründen gehen die großen Anzeigenkampagnen der Wirtschaft an uns vorbei.

Wobei wir zugeben, daß ein Titelbild wie Til Metes barockes Hetzblatt am Donnerstag zur Olympiaentscheidung die Stadt Berlin nicht unbedingt zur Imagewerbung einzuladen scheint. Trotzdem gehen wir davon aus, daß es 1994 positive Entwicklungen geben wird – schließlich gehören die taz-LeserInnen beispielsweise zur Avantgarde der Bahnfahrer.

Produziert die taz zu teuer? Wohl kaum. Eher so billig wie keine anderes Blatt, das vor allem mit eigenen AutorInnen und nur wenig mit Nachrichtenagenturen arbeitet. Der berühmte Einheitslohn von 1.500 Mark netto gehört zwar der Vergangenheit an, doch durchschnittlich verdienen unsere RedakteurInnen nicht mehr als die Hälfte eines Tarifgehaltes, unsere freien AutorInnen dürfen sich über etwa 130 Mark freuen, wenn sie eine halbe Zeitungsseite recherchiert und vollgeschrieben haben. Ein Grund dafür, daß viele „Freie“ ihre Mohnbrötchen woanders verdienen müssen und der taz nur hin und wieder einen Artikel zuschieben können.

Nach zwei Sanierungsrunden zählt die taz gerade noch 136 angestellte MitarbeiterInnen, Personalmangel herrscht an allen Orten. Ein Beispiel: Alle anderen überregionalen Zeitungen leisten sich in Bonn sieben oder mehr RedakteurInnen. Die tazler dort sind zu zweit, sie müssen hektisch zwischen Bundestag, Pressekonferenzen und Recherchen pendeln.

Und für ihre moderne EDV- Technik ist die taz schließlich berühmt – sie hat als eine der ersten Zeitungen die sogenannte elektronische Ganzseitenübertragung über ISDN-Leitung zu ihren drei Druckereien in Hamburg, Frankfurt und Berlin eingeführt.

Das spart zwar längerfristig Kosten, doch schon zum 1.1.94 erwarten uns neue Belastungen: Die Post erhöht wieder einmal ihre Preise dafür, daß sie zwei Drittel unserer Abos austrägt, diesmal um 10 Prozent (macht 300.000 Mark für 1994 mehr). Die noch verbliebene Umsatzsteuerpräferenz aus der Berlinförderung fällt weg, das kostet uns weitere 400.000 Mark. Und wenn wir unseren MitarbeiterInnen die verabredet jährliche „Treue“-Zulage von 80 Mark brutto zahlen wollen, dann sind das rund 100.000 Mark mehr – aber nur durchschnittlich 2,5 Prozent mehr für den einzelnen. Weit weniger, als nötig wäre, um die Inflationsrate, den Wegfall der Arbeitnehmerzulage für die BerlinerInnen und voraussichtlich die Kosten der Pflegeversicherung auszugleichen. Der Nettolohn der RedakteurInnen liegt heute – ohne Kinderzulage – bei durchschnittlich 2.100 Mark. Da läßt sich der Gürtel nicht mehr viel enger schnallen. Neue Einnahmen – sprich: mehr Abos – müssen her. MR