■ Die Krise im Steinkohlebergbau nicht totsubventionieren
: Faß ohne Boden

Von 1960 bis 1990 haben die westdeutschen Stromkunden und Steuerzahler den heimischen Steinkohlebergbau mit rund 76 Milliarden DM subventioniert – Tendenz steigend. Insgesamt 12 Milliarden DM Zuschuß fielen allein im Jahr 1992 an. Auch in diesem Jahr ist mit einer ähnlichen Summe zu rechnen. Rein rechnerisch wird damit jeder der noch 118.000 Arbeitsplätze im Bergbau mit monatlich 8.000 DM subventioniert. Das ist mehr als die hart arbeitenden Kumpel verdienen. Der Subventionsbedarf steigt, weil die Preisdifferenz zwischen importierter und heimischer Kohle ständig wächst – inzwischen 210 DM pro Tonne. Dieser Preisunterschied ist zu einem Teil den niedrigen Dollarkursen und den Dumpingpreisen der ausländischen Konkurrenz, die ihre Bergleute mies bezahlt und sich um Umweltprobleme in der Regel nicht schert, geschuldet. Ein höherer Dollarkurs, bessere Entlohnung der Bergleute und die Umsetzung von dringend notwendigen Umweltschutzmaßnahmen in den Förderländern triebe den Importpreis gewiß nach oben. Konkurrenzfähig würde die westdeutsche Steinkohle trotz aller Produktivitätsfortschritte dadurch indes nicht. Dafür sind die geologischen Bedingungen der Kohlelagerstätten einfach zu unterschiedlich.

Das weiß auch die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE), die die Subventionen quasi als eine Art Versicherungsprämie zur Aufrechterhaltung der deutschen Energieversorgung verkauft. Dieses schon immer zweifelhafte Argument hat nach dem Zusammenbruch der bipolaren Welt jegliche Überzeugungskraft eingebüßt. Nein, die Zeit der Steinkohleförderung in Deutschland geht trotz aller gegenteiliger Erklärungen zu Ende. Es macht langfristig keinen Sinn, Kohle zu fördern, die niemand haben will. Daran ändern auch die Beschlüsse der 91er Kohlerunde, ab dem Jahr 2000 die Förderung von 50 Millionen Jahrestonnen zu garantieren, nichts. In den 50er Jahren beschäftigte der westdeutsche Bergbau rund 600.000 Menschen. Diese Zahl hat sich auf jetzt noch 118.000 Beschäftigte reduziert. Nach den Vorstellungen der Kohlerunde im Bonner Bundeskanzleramt sollte die Zahl der Kumpel bis zur Jahrtausendwende noch einmal auf 80.000 sinken – mit dem Einverständnis der IGBE. Doch dabei kann es nicht bleiben. Es wäre gut, wenn alle Beteiligten den Bergleuten, die in den letzten Jahren alle über Frühverrentung vor dem Absturz in die Arbeitslosigkeit bewahrt werden konnten, in dieser Frage klaren Wein einschenkten. Außer einigen Bergwerken zur Förderung von Spezialkohle und einigen Demonstrationszechen für die Bergbauzulieferindustrie, dürfte am Ende nicht viel vom westdeutschen Steinkohlebergbau übrigbleiben.

Jetzt gilt es, die mit einem Durchschnittsalter von 33 Jahren sehr jungen Bergbaubelegschaften darauf so vorzubereiten, daß sie nicht beim Arbeits- oder Sozialamt landen. Weiterqualifizierung, Umschulung, Investionen in zukuntfsfähige Industrien statt Subvention des Alten, so lauten die Stichworte zur Bewältigung der Krise. Eine solche Politik braucht gewiß ihre Zeit, kostet viel Geld und stößt bei den Betroffenen auf wenig Gegenliebe. Nur, anders läßt sich ein Weg aus der kohlepolitischen Sackgasse nicht finden. Damit der zukunftsträchtige Kurswechsel endlich mit Elan angegangen werden kann, müssen die Politiker zunächst der Mär von der Versicherungsprämie ein Ende bereiten. Erst dann werden die Beteiligten bereit sein, sich der Zukunft zu stellen. Walter Jakobs