Paris: Verfassungsänderung wg. Asyl

■ Flüchtlinge sollen nur noch in dem EG-Land eine Aufnahme beantragen dürfen, in das sie zuerst eingereist sind

Paris (taz) – Dem französischen Staatsrat blieb nichts anderes übrig: Das oberste Beratungsgremium der Regierung mußte grünes Licht geben für eine Verfassungsänderung zum Asylrecht. Die Frage, die Regierungschef Edouard Balladur den Richtern vorgelegt hatte, war so formuliert, daß die Antwort nicht anders ausfallen konnte. Balladur wollte wissen, ob ein einfaches Gesetz Frankreich erlauben würde, Asylbegehren im Namen des Schengener Abkommens abzulehnen.

Dieses Abkommen sieht vor, daß ein Ausländer nur in dem EG- Land einen Asylantrag stellen darf, in das er zuerst eingereist ist. Genau dazu hatte sich aber der Verfassungsrat im August geäußert. Die RichterInnen hatten entschieden, daß die Verfassung jedem Ausländer, „der wegen seines Einsatzes für die Freiheit verfolgt wird“, das Recht gibt, in Frankreich Asyl zu beantragen.

Logischerweise erklärte der Staatsrat jetzt: „Allein eine Verfassungsänderung könnte Frankreich von dieser Verpflichtung befreien“, ein einfaches Gesetz reicht nicht.

Die Idee, den Staatsrat anzurufen, war von Präsident François Mitterrand ausgegangen, der sich jetzt wohl hinter dessen Ansicht verstecken wird. Denn es wird erwartet, daß sich der sozialistische Staatschef nun dem Wunsch der Regierung beugen und den Weg für eine Verfassungsänderung frei machen wird. Dazu muß Mitterrand Nationalversammlung und Senat zum Kongreß zusammenrufen, der dann mit Dreiviertelmehrheit – welche die Regierungsparteien innehaben – entscheidet.

Die Regierung wünscht einen Verfassungszusatz, der präzisiert, daß Frankreich aufgrund der europäischen Abkommen zum Asylrecht nicht mehr gezwungen ist, Asylbegehren von Menschen anzunehmen, die in einem anderen Unterzeichnerstaat bereits abgelehnt wurden (sogenannte Drittstaatenklausel). Die Änderung soll noch im Herbst beschlossen werden. Es wäre das erste Mal, daß eine französische Regierung die Verfassung ändert, um verfassungsgemäß zu bleiben.

Der Vorgang zeigt, daß die Konservativen entschlossen sind, ihre parlamentarische Übermacht auszunutzen. Unter dem Druck des äußerst rechts stehenden Innenministers Charles Pasqua – auf den die Verfassungsrevision zurückgeht – erweist sich auch Balladur bei der Ausländerpolitik als Hardliner. Zahlreiche Juristen und selbst der Staatsrat haben Wege gewiesen, wie Schengen auch ohne Verfassungsänderung praktiziert werden könnte. Doch die Regierung verfolgt ein anderes Ziel: Sie will ihrem rechten Flügel ein politisches Signal geben. Bettina Kaps