■ Ein Exempel niederländischer Deutschenverachtung:
: „Raus, lesbische Moffen!“

Amsterdam (taz) – Die Niederlande sind ein tolerantes und weltoffenes Land. Von ausländerfeindlichen und rassistischen Übergriffen keine Spur, rühmt man sich hier gerne, mit überheblichem Blick zu den deutschen Nachbarn. Das mag so sein, gilt jedoch anscheinend nicht immer für Deutsche im eigenen Land: Zwei deutsche Frauen jedenfalls bereiten soeben ihren Auszug aus Creil vor, einem kleinen Bauerndorf im Norden der Niederlande.

„Ausländer. Es würde mir gefallen, wenn Ihr vergast werdet. Raus, lesbische Moffen!“ Mit diesen Worten wurden Irene S. (29) und Heike S. (33) eines Morgens von einer Vogelscheuche in ihrem Garten begrüßt. Der Gartenschreck war über Nacht von Dorfjugendlichen errichtet und mit einer orangenen Mütze mit der Aufschrift „Holland“ versehen worden. Dieser Vorfall stellt nur den bisherigen Höhepunkt einer ganzen Serie von Attacken dar. Vor drei Jahren waren die beiden Frauen mit ihren zwei Kindern in die Niederlande gezogen.

Tatsächlich sind Aversionen gegen Deutsche in den Niederlanden ebensoweit verbreitet wie salonfähig. Die Erinnerung an die deutsche Invasion im Dritten Reich sitzt tief. Eine Umfrage des renommierten Clingendale-Instituts im Mai diesen Jahres ergab, daß die Deutschen unter den jugendlichen Niederländern das unbeliebteste Volk in Europa sind. Als kriegslüstern und arrogant wurden sie beschrieben (die Wahrheit berichtete). Kaum ein Deutscher wurde hier noch nicht von einem jungen Niederländer gefragt, wo das Fahrrad seiner Großmutter geblieben sei – angeblich haben die Deutschen nämlich während der Besatzungszeit sämtliche Fahrräder konfisziert.

Ironischerweise drehte sich auch in Creil viel um die Drahtesel. Die Hetze auf die deutschen Dorfbewohner eskalierte, nachdem in der Nachbarschaft angeblich ein Fahrrad geklaut worden war. Der Täter stand für die Dorfjugend fest: Der 14jährige Daniel aus Deutschland muß es gewesen sein, hieß es. Unter dem Motto „Haltet den Dieb“ wurde die ganze Familie fortan traktiert: Sohn Daniel wurde auf offener Straße mit Tomaten eingeschmiert und auf einem Dorffest verprügelt. Das Haus wurde mit Möhren, Eiern und Tomaten beworfen. Der Hund wurde getreten, die Katze mit Farbe beschmiert. Auf der Straße wurden sie mit „Heil Hitler“ begrüßt.

Die Tomatenwerfer wurden gefaßt und mußten sich in Anwesenheit der Polizei entschuldigen. Am nächsten Morgen war der Garten erneut verwüstet. Von der Polizei wurde den Frauen daraufhin geraten, ihren Garten einmal ordentlich herzurichten und ihr Haus aufzuräumen. Das gehöre sich hier so. Kurzum: Den Einwanderinnen wurde das Leben zur Hölle gemacht, sie hatten keine ruhige Minute mehr.

Nach der Vogelscheuchenaktion hat die Polizei nun fünf Jungen im Alter von 14 und 15 Jahren ausfindig gemacht, die zugeben, sich diesen makabren Scherz erlaubt zu haben. Die Grenzen seien überschritten, findet nun auch die Polizei. Allerdings hätten die Vorfälle nichts damit zu tun, daß die Frauen Deutsche seien. Die Nachbarschaft akzeptiere die Frauen nicht. So etwas komme auf dem Dorf häufig vor. Auch einer der Dorfvorsteher will die Vorfälle nicht mit Deutschenfeindlichkeit verbunden wissen. Natürlich sei das Errichten von Vogelscheuchen und das Schmieren von Hakenkreuzen nicht gutzuheißen. Aber die Jugendlichen wüßten gar nicht, was sie täten. Er rät, die unliebsamen Vorfälle so schnell wie möglich zu vergessen. Irene S. und Heike S. werden ihm dabei behilflich sein: Sie haben sich endgültig zum Umzug entschlossen. Jeannette Goddar