Ohne Worte

■ betr.: „BBC verschwieg Holo caust“, taz vom 8.9.93

Bei der Behauptung der BBC hätten stichhaltige Beweise nicht vorgelegen, die den Holocaust in Deutschland, Polen und der ehemaligen Sowjetunion glaubwürdig bewiesen, handelt es sich erstens nicht nur um eine lapidare und dumme Schutzbehauptung, sondern zweitens um eine infame Lüge. In Lanzmann's Film „Shoah“ berichten ehemalige polnische Staatsbürger, die von den Führern des jüdischen Widerstandes über die Situation in den Ghettos und den Konzentrationslagern eingehend unterrichtet waren und sich nach England absetzten, und sich dort mit Presse, Regierung und Diplomaten in Verbindung setzten, daß die britischen Vertreter sowohl der Regierung, des Geheimdienstes und der Presse (sprich: Medien) die grauenhaften Fakten längst kannten. Das Problem war also weniger die fehlende Glaubwürdigkeit der Information, als vielmehr das fehlende Entsetzen darüber. Zumal es auch in England einen fundierten faschistischen Bodensatz gab (und gibt). Die fehlende Bereitschaft, jüdische Exilanten einreisen zu lassen, und sie vor dem Gastod zu retten, vervollständigt ein Bild und den Verdacht, den kritischen Historiker, vor allem in den USA schon lange hatten: Die „Endlöung der Judenfrage“ stieß in keinem der Europäischen Staaten, weder Italien, Frankreich, der Schweiz, Spanien oder eben England auf nennenswerten Widerstand, genauso wenig wie die vielen „Endlösungen“, die sich militärische Rassisten seit je her in Europa und aller Welt ausdenken, sei es in Vietnam, Korea, Nicaragua, im Irak oder, neuester Holocaust: im ehemaligen Jugoslawien. [...] Thorsten Casmir, Griesheim/ Hessen