Europa fragt sich: Gehört Rumänien zu uns?

■ Der Europarat entscheidet über die Aufnahme Rumäniens / Kein Rechtsstaat

Bukarest (taz) – Ginge es lediglich nach formalen Kriterien, bräuchte dem Europarat die Entscheidung nicht schwerzufallen. Das Straßburger Gremium, das heute über die Aufnahme Rumäniens in seine Reihen entscheidet, müßte den Antrag des Balkanlandes wohl mit Nein beantworten. Dennoch wird allgemein mit einem positiven Votum über das schon im Dezember 1991 gestellte Gesuch Rumäniens gerechnet.

Gegründet 1949, hat sich der Europarat, dem derzeit 31 europäische Länder angehören, als oberstes Ziel die Einhaltung der Menschenrechte in den Mitgliedsstaaten gesetzt. Dabei müssen Länder, welche die Aufnahme beantragen, ein Mindestmaß an rechtsstaatlichen und demokratischen Institutionen vorweisen. Rumänien drängt seit nahezu zwei Jahren mit Nachdruck auf die Anerkennung als Vollmitglied, ohne – so scheint es – diesen Verpflichtungen nachkommen zu wollen. Fast vier Jahre nach dem Sturz des Diktators Ceausescu ist es weit von Demokratie und Rechtsstaat entfernt. Vor allem in Minderheitenfragen, bei der Reform des Justizwesens und des Geheimdienstes sowie der Demonopolisierung der Medien zeigen sich die Machthaber unwillig.

Die mit 2,5 bis 3 Millionen Angehörigen stärkste rumänische Minderheit der Roma besitzt nur auf dem Papier die gleichen Rechte wie alle anderen Staatsbürger. Tatsächlich nimmt sie infolge ihrer allgegenwärtigen sozialen Ächtung den untersten Rang in der Gesellschaft ein. Eine positive Diskriminierung der Roma, die der Staat durchsetzen zu wollen immer wieder deklariert, hat bislang nicht stattgefunden. Rassistische Straftaten gegen Roma werden von Behörden gar nicht oder kaum verfolgt.

Mit Problemen hat auch die ungarische Minderheit (cirka 2 Millionen Angehörige) zu kämpfen, die sich allerdings wesentlich besser als die Roma organisiert hat und Unterstützung aus Ungarn genießt. Gemäß dem verfassungsrechtlichen Selbstverständnis Rumäniens als „einheitlicher Nationalstaat“ lehnen die Behörden jegliche Art von Autonomie für die Ungarn strikt ab, auch in Gebieten, wo diese 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Rumänische Justizbehörden sind Anhängsel der Exekutive. Eine umfassende, klare Gewaltenteilung ist bislang nicht durchgesetzt worden. Die Polizei steht noch immer unter militärischem Kommando und arbeitet nicht als zivile Institution. Ceausescus berüchtigte Geheimpolizei „Securitate“ ist nicht aufgelöst worden, sondern weitgehend identisch mit dem 1990 „gegründeten“ Geheimdienst SRI. Ein unbeschränktes Monopol hält der Staat auch auf die beiden überregionalen Fernsehkanäle, welche die ihm genehme Propaganda betreiben und in denen die Opposition in der Regel nicht zu Wort kommt.

Dennoch meinen Befürworter einer Aufnahme Rumäniens in den Europarat, daß die Demokratisierung des Landes innerhalb der Straßburger Institution schneller voranschreiten würde. Eine Nichtaufnahme könne nur zu einer neuen Isolierung Rumäniens führen und die extremistischen Kräfte im Land stärken. Keno Verseck

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