Ein folgenloses Bekenntnis

■ Das IWF-Leitungsgremium fordert einen „erfolgreichen Abschluß der Gatt-Verhandlungen“ / Zu Hause tun seine Mitglieder alles, um das zu verhindern

Washington/Berlin (taz/AP/ dpa) – Die führenden Finanzpolitiker der Welt sind sturzbetroffen. In den Wirtschaften der Industrieländer wächst nichts außer die Arbeitslosenzahlen. Und überall auf der Welt errichten Regierungen neue Zollschranken für Waren aus fremden Ländern. Pfui, rufen die 24 Finanzminister und 24 Notenbankchefs, die im sogenannten Interimsausschuß den Internationalen Währungsfonds (IWF) leiten und sich vor der IWF-Jahrestagung am Sonntag in Washington getroffen haben. Dabei sind es gerade die Regierungen, deren Mitglieder besagte Finanzminister sind, die für den neuen Protektionismus verantwortlich sind.

Der Interimsausschuß heißt so, weil er zwischen den Jahresversammlungen der Finanzminister und Notenbankchefs aus den 178 IWF-Mitgliedsstaaten die politischen Leitlinien des IWF bestimmt. In ihm haben die Regierungen der sieben reichsten Industrieländer (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada) als größte Geldgeber die Stimmenmehrheit.

Die Mitglieder des Interimsausschusses wissen sogar einen Ausweg aus der weltwirtschaftlichen Bedrouille: Die Gatt-Verhandlungen über liberalere Welthandels- Regeln müssen abgeschlossen werden, fordern sie. Dann könne die Wirtschaft wieder wachsen. Für Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) wäre ein unterschriftsreifer Gatt-Vertrag „Richtschnur für die Glaubwürdigkeit unserer Politik“. Diese allerdings leidet arg unter der mangelnden Kompromißfähigkeit gerade der G-7-Regierungen, wie Gatt-Generaldirektor Peter Sutherland vor dem Interimsausschuß am Sonntag bemängelte. Die G7 seien nicht bereit, Handelsschranken zu beseitigen und nationale Interessen in den Hintergrund zu stellen.

Ein Abschluß der Gatt-Verhandlungen scheitert nämlich daran, daß Frankreichs Regierung (G-7-Mitglied) den schon gefundenen Kompromiß zwischen EG und USA (G-7-Mitglied) über den Abbau von Agrar-Exportsubventionen nicht akzeptieren will. Nachverhandlungen, wie sie nun die EG fordert, will wiederum die US-Regierung nicht.

Das Bekenntnis des IWF-Interimsausschusses zum Gatt besagt also gar nichts. Den Vertretern der Entwicklungsländer bleibt daher nichts anderes übrig, als ihre Bitte zu erneuern, daß die Industriestaaten den Gatt-Abschluß durch Kompromisse untereinander ermöglichen mögen. Die Regierungen der Entwicklungsländer, die sich zur „Gruppe der 24“ (G24) mit je acht Vertretern der Kontinente Asien, Afrika und Lateinamerika zusammengschlossen haben, machten sich am Wochenende in Washington allerdings wenig Illusionen über ihren Einfluß beim IWF. Sie fürchteten sogar, daß die Probleme Afrikas angesichts der Verpflichtungen der Geberländer in Osteuropa und der Ex-Sowjetunion in den Hintergrund treten würden.

Unterstützung in der Gatt- Frage erhielten die G24 immerhin von der Weltbank. In einer neuen Studie unterstrich das Bank-Management die Bedeutung einer Liberalisierung des Welthandels gerade für die armen Länder: Ihr Einkommen könne sich mit Gatt durch den Abbau der Handelsschranken verdoppeln. Profitieren würden auch Westeuropa und die hochentwickelten Länder Asiens.

Bei einem Scheitern der Gespräche würde dagegen ein System beibehalten, das das stets propagierte Prinzip freier Märkte massiv verletze, hieß es in der Untersuchung. Allein das Bruttoinlandsprodukt der Industriestaaten könnte bei einem Abbau der Handelsschranken jährlich um 185 Milliarden Dollar zunehmen. Die Gefahr negativer Auswirkungen des Freihandels wäre dagegen gering. Laut Studie könnten rund zwei Milliarden Dollar weniger in der Landwirtschaft erwirtschaftet werden. Das sei im Vergleich zu den 300 Milliarden Dollar Subventionen ein äußerst geringer Verlust.

Daß die armen Länder auch jenseits der Gatt-Verhandlungen Unterstützung der reichen brauchen, war sogar Konsens im Interimsausschuß. Doch obwohl das Gremium es „notwendig und sinnvoll“ fände, das auslaufende IWF-Unterstützungsprogramm für die ärmsten Länder zu erneuern, konnten sich die Finanzminister nicht auf einen neuen Geldtopf einigen.

Auch ein anderes heißes Eisen ließ der Interimsausschuß liegen: die Neuzuteilung des IWF-Kunstgeldes namens Sonderziehungsrechte, die von den ärmeren IWF- Mitgliedern gefordert wird. 16 Länder haben nach Angaben von IWF-Direktor Michel Camdessus bislang noch gar kein Geld zugeteilt bekommen, darunter einige Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Dagegen müßte der Interimsausschuß eigentlich vorgehen. Denn im IWF steht jedem Mitgliedsland das Recht zu, sich in Notlagen zur Stützung der eigenen Währung bis zu einer bestimmten Summe aus dem IWF-Geldtopf zu bedienen – weshalb das Kunstgeld ja zu seinem sonderbaren Namen kam. Donata Riedel