Zugehörig nur durch gleiche Rechte

Anhörung der SPD zur doppelten Staatsbürgerschaft: Vehemente Plädoyers von Ausländerbeauftragten, wissenschaftlich verbrämte Ideologie von Staatsrechtlern  ■ Aus Bonn Julia Albrecht

Barbara John hat nicht nur das Glück der richtigen Staatsangehörigkeit, sie hat auch das Glück des richtigen Parteibuchs. Als CDU- Mitglied und Ausländerbeauftrage des Landes Berlin wird ihren Äußerungen zur doppelten Staatsangehörigkeit und erleichterten Einbürgerung von ihren kritischen Parteikollegen und -kolleginnen größere Aufmerksamkeit entgegengebracht als den Argumenten des sozialdemokratischen Ausländerbeauftragen von Hamburg, Günther Apel. Bei der gestrigen Anhörung zu einem entsprechenden Gesetzentwurf der SPD war sie eine der geladenen Sachverständigen. Der Gesetzentwurf sieht vor, Kindern von hier geborenen Ausländern bei der Geburt automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft zu gewähren (ius soli) und Doppelstaatsangehörigkeiten zu erlauben.

Barbara John berichtete von ihren Erfahrungen in Berlin. Insbesondere sprach sie sich gegen das Argument aus, „Doppelstaatler“ wiesen mangelnde Loyalität auf und identifizierten sich mit dem deutschen Staat nicht hinreichend: Bei jungen Ausländern gäbe es eine starke Identifikation mit Deutschland. Ihnen müßte man die Zugehörigkeit auch durch gleiche Rechte ermöglichen. „Zugehörigkeit drückt sich durch den gleichen Namen und den gleichen Status aus – und die sei von Anfang an wichtig.“ Um das nachzuvollziehen genügten ganz einfache Vergleiche. „Wie würde sich ein Kind in einer Familie fühlen, dem immer wieder gesagt würde, eigentlich gehörst du nicht zu uns.“ Die Einbürgerung müßte am Anfang stehen. Es sei eine weltfremde Erwartung, Ausländer oder Ausländerinnen mit 16 oder 18 die volle Loyaltität abzuverlangen, wenn davor die jahrelange Erfahrung steht, daß ihnen im Verhältnis zu Deutschen weniger Rechte zuerkannt wurden. Frau John forderte über den Gesetzentwurf hinaus den deutschen Paß auch für Kinder ausländischer Eltern mit einem verfestigten Aufenthaltsstatus.

Die Befürworter des SPD-Gesetzentwurfs betonten unisono, daß es sich bei der doppelten Staatsangehörigkeit und dem ius soli um eine politische Entscheidung handele, die nicht allein mit rechtlichen Argumenten verfassungs- oder völkerrechtlicher Art zu klären sei. Im Klartext: Wenn Staatrechtsprofessoren unter anderem behaupten, Doppelstaatsbürgerschaften verstießen gegen das Gleichheitsrecht und seien ein „Übel“ für den Staat (Wolfgang Löwer), das Staatsbürgerschaftsrecht könne nicht nach den Bedürfnissen des Tages entschieden werden (Peter Badura), „vermehrte Hinnahme von Mehrstaatlichkeit hieße, das System in verfassungswidriger Weise zu sprengen“ (Hans von Mangoldt) – dann sind diese Behauptungen nichts anderes als wissenschaftliche verbrämte Ideologieäußerungen.

In der Bundesrepublik leben bereits jetzt rund 1,2 Millionen Menschen mit zwei Pässen. Diese Doppelstaatler sind bisher in keiner Weise als illoyal aufgefallen. Bei ihnen handelt es sich in der Mehrzahl um Aussiedler oder Kinder gemischtnationaler Ehen. Von Mangoldt wußte allerdings auch, weshalb die Aussiedler keine Probleme machten. „Wenn sie diese Leute sehen, werden sie sehen, wie tief bei ihnen das Deutschtum verwurzelt ist“ – auch wenn sie kein Wort Deutsch sprechen. Bei einigen Sachverständigen kam auch eine weitere Befürchtung gegen die Einbürgerung von Ausländern zur Sprache: die Angst vor ethnischen Minderheitsparteien im deutschen Bundestag. Das erinnert auch an eine andere Furcht. Eine wachsende Einbürgerung von Ausländern würde nicht unbedingt die Stimmen der Union vermehren.

900.000 Unterschriften

Berlin (AFP) – Fast 900.000 Menschen haben sich in den vergangenen sieben Monaten mit ihrer Unterschrift für die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft eingesetzt. Damit fehlten der bis Mitte Oktober befristeten Aktion noch rund 100.000 Unterschriften, teilte die Initiative Referendum Doppelte Staatsbürgerschaft am Montag in Berlin mit. Ziel ist es, insgesamt eine Million Stimmen für eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts zu sammeln.