Japans Außenpolitik auf neuem Kurs

Premier Hosokawa spricht vor der UNO-Vollversammlung von „Reue über die vergangenen Taten“ / Führungsrolle Japans nur im Umweltschutz ausdrücklich angestrebt  ■ Aus Tokio Georg Blume

Japans Premierminister Morihiro Hosokawa setzte neue Akzente: Die Außenpolitik seines Landes soll sich mehr an der Verantwortung für die Vergangenheit orientieren und eher zurückhaltend sein, wenn es darum geht, Anspruch auf eine Weltmachtrolle zu erheben.

In seiner ersten außenpolitischen Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York nahm Hosokawa am Montag deutlichen Abstand zu den Bemühungen seiner Vorgänger, für Japan mit aller Macht einen Sitz unter den ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats zu erwerben. Dagegen sagte er, sein Land sei bereit, „Reue über die vergangenen Taten“ des Zweiten Weltkriegs zu zeigen. Die Äußerungen des seit August amtierenden Hosokawa werden auch Einfluß auf die deutschen Weltsicherheitsrats-Ambitionen haben. Erst vor einem Jahr hatte Bundesaußenminister Klaus Kinkel in New York den deutschen Anspruch auf ständige Mitgliedschaft in diesem Gremium nicht zuletzt deshalb öffentlich erhoben, weil Japan im Alleingang eine Ratsreform anzustreben schien, welche die bis dahin zurückhaltend formulierten deutschen Forderungen nicht berücksichtigte. Inzwischen haben Tokio und Bonn die Positionen getauscht. Doch bleibt eine Erweiterung des Weltsicherheitsrats um die Deutschen nur gemeinsam mit Japan denkbar.

Hosokawa war erst der zweite japanische Regierungschef in der Geschichte, der vor die UNO trat, und der erste Japaner, der dort eine wichtige Rede in englischer Sprache hielt. Für sein Heimatpublikum wollte er damit nicht zuletzt die historische Bedeutung des demokratischen Regierungswechsels in Japan unterstreichen. Wichtiger für sein UN-Publikum aber war das Versprechen des japanischen Regierungschefs, einer unbegrenzten Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags vorbehaltlos zuzustimmen.

Unter den 38 Jahre lang ununterbrochen regierenden Liberaldemokraten hatte die japanische Regierung noch während des Weltwirtschaftsgipfels im Juli diplomatisches Aufsehen erregt, als sie einer Verlängerung des 1995 auslaufenden Sperrvertrages aufgrund alter Bedenken aus den sechziger Jahren nicht zustimmte. Damals hatte Japan argumentiert, daß der Vertrag die Vorherrschaft der fünf anerkannten Atommächte auf Dauer festschreibe. Erneut kam aufgrund solcher Bedenken der Verdacht auf, Japan selbst strebe eine Atomoption an. Hosokawa entzog solchen Spekulationen am Montag die Grundlage, warnte jedoch zugleich Nordkorea, daß es sich den internationalen Bedenken über sein Atomprogramm stellen müsse.

Großzügig zeigte sich der japanische Premierminister hingegen mit seinem Versprechen, innerhalb von zwei Jahren 320 Milliarden Mark für den palästinensischen Aufbau in Gaza und der Westbank in Form von langfristigen Regierungskrediten zur Verfügung zu stellen. Nur einmal sprach Hosokawa während seiner Rede von einer japanischen „Führungsrolle“: nämlich beim globalen Umweltschutz. Doch blieb seine Aussage allgemein.

Während seines anschließenden Gipfeltreffens mit Bill Clinton pochte Hosokawa dann vor allem darauf, daß seine Regierung die Reformen zu Hause als integralen Teil der Außenpolitik betrachtet. „Die wichtigste Aufgabe für Japan sind strukturelle Reformen im Inneren, die der Weltgemeinschaft dienen.“ Gemeint waren damit die Deregulierungsmaßnahmen für den Binnenmarkt, die ausländischen Importeuren helfen sollen, den japanischen Handelsüberschuß abzubauen.

Viele von Hosokawas politischen Prioritäten werden jedoch nicht von allen Mitgliedern der japanischen Regierungskoalition geteilt. Kritiker der Regierung halten die Hosokawa-Doktrin deshalb nur für eine kurzen außenpolitischen Zwischenschritt auf dem Weg zu größeren nationalen Ambitionen.