Rotlichtbezirk im Supermarkt

■ Verbraucherzentrale deckt Skandal im Supermarkt auf: Fleisch ist oft vergammelt / Kein Verlaß auf Haltbarkeitsdaten   Von Vera Stadie

Ein neuer Fleischskandal? Ralf Alsfeld von der Verbraucherzentrale Hamburg hat Geflügel eingekauft. Hähnchenschenkel der Handelsklasse A, verpackt in Folie. „Frischqualität – verbrauchen bis spätestens 30.9.“ steht drauf. Dienstag im Supermarkt geholt, über Nacht kühl gelagert, gestern stank es zum Himmel.

Nach dem Ergebnis der Fleischbeschau in deutschen Supermärkten und Kaufhäusern, die die Hamburger Verbraucherzentrale für das Magazin „stern“ durchführte, wundert es nicht, das Alsfelds Zufallskauf ein Treffer war. In 25 Hamburger Läden suchten die TesterInnen in der Frischfleischtheke, dem Kühltresen und der Tiefkühltruhe Fleisch aus, das merkwürdig aussah oder roch. Das LEFO-Institut in Ahrensburg nahm die 36 Proben unter die Lupe. Nur in vier der inspizierten Geschäfte gab es keine Mängel, war das angebotene Fleisch einwandfrei.

Das LEFO-Institut fand auf rund einem Fünftel der Proben Fäkalbakterien oder Gesamtkeimzahlen von mehr als 100 Millionen pro Gramm Fleisch – als gerade noch vertretbar gelten zehn Millionen Keime. „Da ist beim Schlachten oder beim Ausnehmen geschlampt worden“, erklärt Alsfeld. Heute veröffentlicht der „stern“ eine Liste der „schlimmsten Läden“. Verraten wollte Alsfeld gestern nur, daß „ausgesprochene Edelläden dabei“ seien und „namhafte und teure Geschäfte“.

Ziemlich eklig sind die Erlebnisberichte aus den Supermärkten und Lebensmittelabteilungen der Kaufhäuser. Vor allem das Geflügel war des öfteren „schmierig und grau verfärbt“. Solche Verfärbungen sind im knallroten Licht und hinter den getönten Scheiben mancher Tresen für die Kunden nicht zu sehen. Vom „Rotlichtbezirk im Supermarkt“, wo Händler ihre Ware „gesetzeswidrig auffrischen“, spricht daher Bernhard Rosenkranz von der Verbraucher-Zentrale.

In den Gefriertruhen grassiert der Frostbrand. Das Fleisch hat helle Stellen, wenn Wasser verdunstet und Luft eingedrungen ist, ist pappig und strohig. Auch die Handelsklasse A hält beim Gefrorenen oft nicht, was ihr Preis verspricht: „Ein Vogel war gar nicht identifizierbar, vermutlich Rebhuhn oder Perlhuhn, aber der Preis für den Pappkameraden war hoch“, erzählt Alsfeld. Tips der Verbraucher-Zentrale: Vorsicht bei abgepacktem Fleisch, besser Frischfleisch lose, kein vorgewürztes Fleisch und nicht bei Rotlicht einkaufen.

Weiterer Bericht auf Seite 1

Der „Untersuchungsbericht zur Qualität von Fleisch im Lebensmitteleinzelhandel“ kann für acht Mark in Briefmarken bei der Verbraucher-Zentrale, Große Bleichen 23, 20354 Hamburg, bestellt werden.