: Lob des elektrischen Türöffners
■ Das Fockemuseum im Schein des künstlichen Lichts: „Bremen wird hell“, eine Ausstellung zur Geschichte des Stroms und wohin er fließt
Wild entschlossen reckt die blonde Lichtbringerin ihren Zauberstab in die Nacht — und siehe: Es ward Licht. Von solch liebreizenden allegorischen Illustrationen, wie sie den Einzug der Elektrizität begleiteten, bis zu den Katastrophenbildern der heutigen Energieverschwendung erzählt die neue Ausstellung des Fockemuseums uns die hundertjährige Geschichte der Elektrifizierung. „100 Jahre Leben und Arbeiten mit Elektrizität“ (so der Titel) wollen gefeiert sein: Am 1. Oktober 1893 nahm das Bremer E-Werk seinen Betrieb auf. Wenn am 1. Oktober 1993 abends das Licht in der Ausstellung angeht, soll das allerdings auch für das Museum ein historischer Moment werden. Mit „Bremen wird hell“ will Direktor Jörn Christiansen dem Museum zu neuer Attraktivität verhelfen.
Anlaß zur Hoffnung gibt die Hilfsbereitschaft der Bremer, ihren Teil zur Ausstellung beizutragen. Da das Museum selbst bis auf ein paar Haushaltsgeräte wenig besaß, was zur Erhellung der Elektrizitäts-Geschichte hätte beitragen können, warb man um private Spenden. Über 800 Apparate, vom Fön bis zum Industriemotor, kamen aus Altbremer Kellern hervor. „So ist diese Ausstellung auch materiell der Besitz der Bremer Bevölkerung“, sinniert Christiansen.
Und so hofft der Direktor auf breite Akzeptanz seiner Schau — auch, um nochmals nachdrücklich auf die Bedürfigkeit des Hauses hinzuweisen. Wenn schon kein Neubau, dann wenigstens eine neue Konzeption — samt Umbau. Teile der archäologischen Sammlung wurden ausgelagert, um 350 Quadratmeter an Sonderausstellungsfläche zu gewinnen. Dort prangen nun die schweren Maschinen aus der Bremer Stromgeschichte: „Ich hoffe, es entsteht ein konzeptioneller Druck durch diese Ausstellung“, sagt Christiansen.
Vor allem ist „Bremen wird hell“ maßgeblich für die künftige inhaltliche Linie des Bremer Landesmuseums. „Wir wollen hier nicht nur die klassische Kulturgeschichte zeigen“, sagt Christiansen. Sondern Themen, die den Alltag der Bürger berühren — der Direktor denkt bereits an Ausstellungen zur Selbständigkeit des Stadtstaates oder die Geschichte von Werder Bremen.
Die Geschichte unseres Stroms - und wie er unser Leben durchströmt - soll „kritisch hinterfragt“ werden, wie der gelernte Historiker Heinz-Gerd Hofschen erklärt, der das Ausstellungsprojekt leitete. „Wichtig ist uns, zu zeigen, daß das kein linearer Fortschrittsprozeß war“, sondern auch Licht-und Schattenseiten hatte.
Dieser kritische Anspruch aber findet sich vor allem in den Texten des (sehr günstigen) Katalogs wieder. Auch soll ein umfangreiches Beiprogramm den politischen Streit- und Heizwert der Energiediskussion beweisen. In der kommenden Woche gibt das Museum ein Heft mit Hinweisen auf die Rahmenveranstaltungen heraus, von einer Diskussion mit Umweltsenator Ralf Fücks bis zum Besuch bei den Stadtwerken. In der Ausstellung selbst spielt der machtpolitische Aspekt von Energiefragen eher eine beiläufige Rolle. Hier mußten Hofschen und seine Mitarbeiter vor allem ein Grundsatzproblem bewältigen: den „immateriellen Gegenstand“ der Ausstellung überhaupt anschaulich zu machen.
So haben die Museumsleute vor allem jene Spuren aufgesammelt, die der Strom der Zeit im Alltagsleben hinterlassen hat. Eine wahre Leistungsschau bremischer Elektrogeräte ist da zu sehen: die ersten elektrischen Kronleuchter, aus der Zeit, als nur ein paar hundert Bürgersleute das Privileg der Stromversorgung genossen; die monströsen Trockenhauben der 20er Jahre, bei deren Anblick einen heute noch der Schlag trifft; vor allem dürfen wir staunen über die besinnungslose Euphorie der Wirtschaftswunderzeit: Bettwärmer, Hutbügelautomaten und Höhensonnen sollten den Energieverbrauch beflügeln und so den Wohlstand der Dinge anzeigen. Auch die Folgen der Elektrifizierung für die Industrie zeigt die Ausstellung mit handfesten Beispielen. Tonnenschwere Generatoren und Motoren lagern längs des Rundgangs und auf den weitläufigen Außenflächen des Museums.
Am eindrucksvollsten aber bleiben doch jene Kleinigkeiten, die den täglichen Haushalt praktisch revolutionierten. Wie der elektrische Türöffner. August Bebel sah darin, wie der Katalog lehrt, ein Mosaiksteinchen der „Revolution des gesamtens häuslichen Lebens“, da solche Elektrogeräte den Dienstbotenstand überflüssig machten. Schon seinerzeit wandte der Historiker von Treitschke zwar ein, „daß es ohne Dienstboten keine Kultur mehr gebe“. Hier aber irrte der Historiker: Die Elektrik eines gehobenen Altbremer Hauses, wie es als Modell im Fockemuseum nun zu bewundern steht, besaß bereits die Einrichtung einer elektrischen Dienstbotenklingel. Thomas Wolff
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