Der Weltkommunismus verliert sein Lieblingsfossil

■ Frankreichs langjähriger KP-Chef Georges Marchais kündigt seinen Rücktritt an

Paris (taz) – Diesmal ist es offiziell: Georges Marchais tritt zurück. Der Mann, der die Kommunistische Partei Frankreichs 21 Jahre lang eisern dirigiert hat, will beim 28. Parteikongreß im Januar seinen Platz räumen. Seit zehn Jahren schon spricht man vom bevorstehenden Abschied, und vor zwei Wochen waren die Spekulationen erneut ins Kraut geschossen, als Marchais erstmals dem alljährlichen Herbst-Fest des Parteiorgans Humanité fernbleiben mußte. Gestern nun informierte der 73jährige das Zentralkomitee der KP vom Krankenbett aus schriftlich. Er verwies auf sein Alter und seine Beschwerden: Marchais leidet an Herzproblemen und an Hüftbeschwerden.

Die Marschrichtung der Partei hat Marchais in der Vergangenheit so sehr diktiert, daß er als „Monsieur KPF“ bezeichnet wurde. Selbst daß er den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan begrüßt und Gorbatschows Perestroika bekämpft hat, konnte ihm nichts anhaben. Interne Kritik an seiner ultrakonservativen Parteiführung schmetterte Marchais stets ungerührt ab. Mit harter Hand sorgte er dafür, daß der immer stärker werdende Wunsch der Reformfraktion und vieler Parteimitglieder nach Demokratisierung und Öffnung bis heute keine Chance bekommen haben.

Auch die Zweifel an seiner Vergangenheit sind bis heute nicht ausgeräumt: Marchais behauptet, daß er während des Zweiten Weltkrieges in ein deutsches Arbeitslager deportiert worden sei, doch gibt es Hinweise, daß er freiwillig für die Fabrik Messerschmidt gearbeitet habe.

Aber bevor der Generalsekretär eine neue Mannschaft ans Ruder läßt, will er der Partei noch ein letztes Mal seinen Stempel aufdrücken. Auf seine Direktive hin bereitet das ZK derzeit neue Statuten und insbesondere den Abschied vom „demokratischen Zentralismus“ vor, den Marchais bis vor kurzem noch eisern verteidigt hatte. In den neuen Statuten wird aber offenbar nur das Wort Zentralismus gestrichen – an der Praxis dürfte sich nichts ändern. Es werden noch andere Etiketten ausgetauscht: So wird sich Marchais' Nachfolger nicht mehr General-, sondern Nationalsekretär nennen.

An der Person des Nachfolgers wird abzulesen sein, ob die Partei tatsächlich in der Lage ist, sich zu öffnen. Die kleine Gruppe der „Erneuerer“ unter Führung des früheren Ministers Charles Fiterman ist da allerdings höchst skeptisch. Sie rechnet damit, daß Marchais einen Nachfolger inthronisieren wird, der strikt auf seiner Linie liegt. Im Gespräch sind der Fraktionsführer der kommunistischen Parlamentsabgeordneten, Alain Bocquet, und der Herausgeber der Humanité, Pierre Zarka. Bettina Kaps