Der Entzauberer

■ Der Hamburger SV hofft vor seinem morgigen Gastspiel beim FC Bayern München auf Carsten Kober

Ein Mann nimmt Abschied von seinen Prinzipien. Noch unlängst hat der Versicherungsverkäufer und HSV-Präsident verkündet, während seiner Regentschaft werden ausschließlich Einjahresverträge abgeschlossen. Nun ist er fieberhaft bemüht, die Kontrakte des Trainers Benno Möhlmann und vom Manager Heribert Bruchhagen frühzeitig zu verlängern und somit dem HSV das recht erfolgreiche sportliche Führungsduo zu erhalten. Doch da hat der stets eine Spur zu grelle Hunke offenbar die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Möhlmann und Bruchhagen äußerten sich gestern unisono, daß es zu früh sei, sich jetzt schon festzulegen. Gemunkelt wird, daß beide erst einmal die Neuwahl des HSV-Präsidenten abwarten wollen, um sich dann, im Falle einer Wahl des Hunkespezi Ronald Wulff, länger an den Verein zu binden.

Doch momentan plagen den HSV ganz andere Sorgen. Jörg Albertz, einer der Shooting-Stars dieser Saison, wurde am Montag am Meniskus operiert und fällt mehrere Wochen aus. Karsten Bäron und Carsten Kober litten die gesamte Woche an einer Magen-und Darmgrippe und sind deshalb beim Nord-Süd-Duell, Bayern München gegen den HSV, nicht voll einsatzfähig. Wie wichtig Karsten Bäron, dem zuweilen die Beweglichkeit einer Gliederpuppe attestiert wird, für das Team von Benno Möhlmann ist, verspürten die Anhänger des Vereins bei der freitaglichen 0:1-Heimschlappe gegen Duisburg.

In arge Schwierigkeiten könnte das Team auch kommen, falls Carsten Kober nicht wieder fit wird. Denn ohne einen Mann für's Grobe kommt auch der in dieser Saison so spielerisch überzeugende HSV nicht aus. Wer soll die Bayern-Angreifer entzaubern, wenn nicht er, dessen Kunst darin liegt, zumeist blutgrätschend über den Boden zu schleifen – ohne jegliches Kalkül dafür, was denn die Knochen des Gegners und, was denn der Ball ist. Große Mannschaften zeichnen sich eben auch durch solche Spieler aus, man denke an Hansi Pflügler während der Bayern-Vorherrschaft in den 80er Jahren.

Und zumindest der blau-weiß-schwarz beschalte Anhang des HSVs rennt jetzt schon mit dem Anspruch in das Volksparkstadion, dem Tun einer neuen großen Mannschaft beizuwohnen.

Elf Jahre konnte der HSV nicht mehr im Münchener Olympiastadion gewinnen, in der vergangenen Saison wurden sie mit einem 0:4 abgefertigt. Damit soll morgen um 15.30 Uhr Schluß sein. Zumal der Rekordmeister während der Oktoberfestzeit, volksstammgemäß, alles etwas gemächlicher angehen läßt und zuletzt dem Langweilerteam aus Wattenscheid noch einen Punkt geschenkt hat.

kader