Neulich ...

■ ... im Eispalast

Neulich...

...im Eispalast

Heute ist von einer schweren Niederlage zu berichten; aber da ich sie im Ringen mit dem ganzen italienischen Volk erlitt, ist es immerhin keine Schande.

Das ganze italienische Volk steht auf dem Standpunkt, daß seine Gäste wie alle Kinder strengster Schutzmaßnahmen bedürfen. Deshalb werden sie aufs Eindringlichste zum Essen angehalten, wobei es an Erklärungen und malerischen Darstellungen des Hungertodes nicht mangelt, an rasanten Vorhaltungen und begütigenden Worten, welche immerzu im prachtvollsten Italienisch und molto agitato einem ums Hirn brausen.

Aber lasse es sich keiner einfallen, auf Italienisch zu antworten! Sogleich steigt seitens der Aufsichtspflichtigen die Besorgnis ins Unermeßliche: Man wird aus dem Gebiete der fremden Sprache herausgeführt und in der eignen daheim wieder abgesetzt. Das ist das Schlimmste.

Einmal traten wir in ein Hotel, und ich sagte stolz und mit lauter Stimme: „Ha una doppia libra? Rimaneremo a domani mattina!“ Was aber antwortete die Teufelin? „Eines noch, aber iste vielleichte ein bißchen laute.“ Warum tat sie mir das an? Der Satz war einwandfrei gewesen; ich hatte ihn aus dem Schnellführer auswendig gelernt. Die Aussprache litt erst recht keinen Zweifel. Nein, ich hatte mir einfach einen Grad von Italienizität angemaßt, der mir keineswegs zukam.

Der Grad von Italienizität, der einem nach Ansicht des italienischen Volkes allerhöchstens zukommen kann, ist leider ein ganz geringfügiger. Tag für Tag prunkte ich mit neuen italienischen Sätzen; Tag für Tag führte man mich aus der fremden Sprache wieder heraus: „Thank you“, sagte hohnlächelnd der Andenkenverkäufer vor den Hl. Stätten; „dreidaußend per favore“, sagte fürsorglich die Zeitungsfrau; „rote Wein?“ fragte streng der Ober.

Dabei ist sie voller Wonnen, die italienische Sprache. In jedem Menschenskind, so noch eine Seele hat, erwacht, sobald es Italien betritt, der Wunsch, sie zu erlernen. Sie ist der Wohllaut selber, sie spricht sich so ganz von alleine dahin, und sie macht bei regelmäßigem Gebrauch sicherlich schön. Dove si trova la posta, o Mensch! Ich also begann zu lernen.

Ich lernte alle Wörter des Schnellführers von „andare“ bis „zuppa“, von „ponte“ bis „pilata“; ich kollerte über Berg und Tal die köstlichsten Wendungen vor mich hin, und ich deklinierte halbe Tage am Strand herum; ich büffelte die Konditionalformen und die Relativsatzbildung, und ich brummelte verzückt die paar Opernarien, die mir noch erinnerlich waren, bis mir auch noch alle Äußerungen der Leidenschaft und der Raserei zu Gebote standen. Am Ende der Reise sprach ich italienisch, so gesehen, und das Herz rumpelte siegesfroh, denn nun schlug unweigerlich die Stunde des Beweises.

Es war in Rom. Kennen Sie diese Eispaläste? Nichts als Spiegel, Chrom, Pracht, Menschengewusel, zweitausend Sorten Eis, Sorbet, zwölf Sorten Tüten, Schlangen an der Kasse, Lärm, kurzum: die herrlichste Gelegenheit, mit wohlgestalteten, tadellos ausgesprochenen Schachtelsätzen zu verblüffen. Ich also sagte: „Buona sera, signore, vorrei due gelati nella coppa; il primo con zuppa inglese, fiore di perugine e torrone, il secondo solo con cocco, ma non troppo, per favore!“ sprach ich, und das Herz schlug vollends zum Halse. Da schaut der stirnrunzelnd der Eismann und fragt: „Panna?“, und nie war ich so glücklich. All die Mühen. Und nun ein trauliches „Panna?“ als Lohn.

Panna. Was heißt jetzt bloß „Panna“? Schon wankt der Himmel über mir und will einstürzen, und wirklich, der Eismann grinst und sagt: „Sahne?“ schak