■ Werftbetreiber und Fischer liegen sich in den Haaren
: Papenburg liegt nicht an der Nordsee

Hannover (taz) – „Das darf einfach nicht passieren“, sagt der Sprecher der Meyer-Werft entschlossen. Aber durch das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zur Ems-Vertiefung ist nun doch eine ganz besondere Werftenkatastrophe zumindest möglich geworden: Auf der Papenburger Werft liegt ein hochmoderner Kreuzfahrtdampfer trocken, dem der Weg auf die Weltmeere bisher versperrt blieb.

Eine Wassertiefe von 7,30 m benötigt der Luxus-Liner „Oriana“, um Grundberührung zu vermeiden. Den 260 Meter langen Dampfer will die britische Reederei P&O 1995 als neues Flaggschiff in Dienst stellen und anschließend mit 2.000 Passagieren auf den Weltmeeren kreuzen lassen. Der Haken: Papenburg liegt mitten im niedersächsischen Binnenland. Läppische 50 Kilometer sind von dort aus auf der 6,30 m flachen Ems zu bewältigen, um zumindest Emden zu erreichen. Dann ist man zwar immer noch nicht an der Nordsee, aber immerhin am einigermaßen schiffbaren Dollart.

In den vergangenen zehn Jahren ist die „Bundeswasserstraße Ems“ durch stetes Baggern von 4,60 m auf 6,30 m vertieft worden. Genutzt haben die neue Tiefe immer nur die Schiffe der Meyer-Werft und auch die nur sehr selten: Höchstens zum Auslaufen. Jetzt allerdings hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die weitere Baggerei strikt untersagt. Die Richter stoppten einstweilen die Vertiefung des Flusses von 6,30 m auf 6,80 m, weil eine Klage von acht Flußfischern gegen die Vertiefung im Hauptsacheverfahren „überwiegend Aussicht auf Erfolg“ habe. Die Fischer sind in Ditzum, nahe der Mündung der Ems in den Dollart ansässig und üben die traditionelle Hamenfischerei aus, bei der die Netze an Pfählen im Fluß aufgespannt werden. Sie sehen vor allem die Nahrunsgrundlage ihrer Beutetiere durch die Baggerei gefährdet, die die Ems einem Kanal immer ähnlicher macht.

Durch die Vertiefung erhöht sich in der Mitte die Strömungsgeschwindigkeit des Flusses, während die Seitenbereiche verschlicken und versanden. Beides wirkt sich negativ auf Flora und Fauna im Wasser aus. In dem Genehmigungsverfahren für die Vertiefung auf 6,80 m seien die den Fischern drohenden Nachteile nicht berücksichtigt worden, stellte jetzt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seiner einstweiligen Bagger- Stopp-Entscheidung fest, der das Verfahren in der Hauptsache allerdings noch folgen wird.

Die Umweltverbände sehen in der Stück für Stück voranschreitenden Ems-Vertiefung bereits seit langem eine „wirtschaftliche Kanalisierung eines Flußökosystems“. Durch die Baggeraktionen wird sich nicht nur der Grundwasserspiegel senken, sie warnen darüber hinaus auch vor einer Schädigung landwirtschaftlich genutzter Flächen am Flußufer. BUND, Naturschutzbund und WWF begrüßten denn auch den Lüneburger Baustopp als Chance, die Ems wieder als Flußökosystem und nicht länger als beliebig ausbaubare Wasserstraße zu betrachten. Der Meyer- Werft empfahlen die Naturschützer, sich einfach weiter nördlich einen neuen Standort zu suchen, der nebenbei auch seeschifftauglich ist. Auf der Papenburger Werft will man davon allerdings nichts wissen. Dort hofft man auf das nächste schon laufende Genehmigungsverfahren zur Vertiefung des Flusses auf 7,30 m.

Die nächsten Aufträge für zwei Schwesterschiffe der „Oriana“ hat sich die Werft jedenfalls schon an Land gezogen. Schließlich stehen in Papenburg 1.800 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Der Schiffbaubetrieb, der durchaus weltweit bedeutend ist, hat ja schließlich nur einen klitzekleinen Nachteil: Er liegt nicht am Meer. Jürgen Voges