■ Das drakonische Urteil von Wien gegen einen Neonazi
: Generalprävention

Gottfried Küssel, österreichischer Obernazi und kurzfristiger Erbe Michael Kühnens als „großdeutscher“ NS-Führer, ist für die nächsten zehn Jahre aus dem Verkehr gezogen. Im Kern sprachen die Geschworenen ihren Schuldspruch über ein Meinungsdelikt: Der öffentliche Ausspruch Küssels, er wolle die NSDAP als Wahlpartei wieder begründen, wurde dem redseligen Dicken zum Verhängnis. Ein Urteil, das in seiner Härte nur vor dem Hintergrund der österreichischen Rechtsgeschichte erklärbar ist: Das Gericht verhängte damit die Mindeststrafe, die das ohnehin entschärfte Verbotsgesetz vorsieht – vor einem Jahr wäre auf Küssels Delikt noch lebenslange Haft gestanden.

Warum, fragen sich manche Österreicher, herrscht bei uns so sonderbare Ruhe, während in Deutschland allerorten Asylbewerberheime brennen? Kaum ein halbes Dutzend Anschläge marodierender Banden auf Flüchtlingsunterkünfte wurden in den vergangenen Jahren gezählt. Eine der Ursachen für diesen bemerkenswerten Sondertrend dürfte im Verhalten von Exekutive und Justiz liegen. Denn während in der BRD Polizei und Gerichte die Brandschatzer gewähren ließen, der Staat sein Gewaltmonopol de facto nicht mehr durchzusetzen bereit war, handelten die österreichischen Behörden entsprechend der Maxime von der generalpräventiven Wirkung des Strafrechts.

Der „Fall Küssel“ ist freilich nur das spektakulärste Kapitel dieses Krimis. Seit Sommer 1992 häufen sich die Prozesse gegen Neonazis oder rechtsradikale Jugendliche, an deren Ende stehen meist drastische Strafen. So wurden unlängst Halbwüchsige, die zuerst einen Brandsatz erfolglos gegen eine Moschee warfen, und diese dann mit ausländerfeindlichen Parolen besprühten, zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Härte, mit der Staat und Justiz der rechtsextremen Szene begegnen, dürfte durchaus auf die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung treffen.

All das steht nur in einem scheinbaren Widerspruch zur rigiden Anti-Ausländer-Gesetzgebung der Bundesregierung oder der wilden Xenophobie der FPÖ von Jörg Haider. „Gesetze statt Hetze“ ließ das Zentralsekretariat der FPÖ im Vorjahr großflächig plakatieren – „Hetzen mit Gesetzen“ erwiderten ihre Kritiker. Der xenophobe Euro-Trend, der auch in Österreich die Grundstimmung der Bevölkerung prägt, wächst sich bislang vor allem zu Schikanen – bis hin zu Abschiebungen – gegen oftmals sogar integrierte ImmigrantInnen aus. Der Zündsatz, der dieses gefährliche Gebräu aber zum Explodieren bringen könnte, wird tunlichst weggesperrt – wenn nötig hinter Gefängnismauern. Robert Misik