Moskauer Ultimaten

■ Regionen gegen Jelzins Blockade

Moskau (afp/taz) –Die russischen Provinzen gehen im Moskauer Machtkampf auf Konfrontationskurs mit Präsident Boris Jelzin. Vertreter von rund 60 Gebieten und Republiken der Russischen Föderation forderten die Regierung gestern ultimativ auf, die Blockade des Parlaments bis Mitternacht aufzuheben. Anderfalls müsse die Zentralregierung mit Gegenmaßnahmen der örtlichen Verwaltungen rechnen. Zuvor hatten sich die Regionenvertreter bereits für die Bildung eines Regionalrates ausgesprochen, der in Konkurrenz zu dem von Jelzin geplanten Föderationsrat steht. Jelzin traf unterdessen mit dem orthodoxen Patriarchen Alexi II. zusammen, der von den Präsidenten- Gegnern im belagerten Parlamentsgebäude um Vermittlung gebeten worden war.

Zuvor hatte die Regierung den Abgeordneten ein neues Ultimatum gestellt: Bis kommenden Montag sollen sie endlich das Gebäude verlassen, so will es ein neues Ultimatum der Regierung. In der Zwischenzeit wurde der Kordon aus Polizei und Truppen des Innenministeriums ums Weiße Haus nochmals verstärkt. Die Abgeordneten sagten, sie wären dazu bereit, ihre Waffen abzugeben, wenn Strom- und Warmwasserversorgung wieder eingeschaltet würden. Inzwischen finden allerdings schon Gespräche zwischen Ministerpräsident Tschernomyrdin und Vertretern des Parlaments über ein Ende des Belagerungszustandes statt. Jelzin soll sich bereit erklärt haben, die Sicherheitskräfte zurückzuziehen, wenn die Abgeordneten ihre Waffen tatsächlich aushändigten.

Einen Nachschlag dekretierte gestern Präsident Jelzin allen Bediensteten in der öffentlichen Verwaltung. Ihre Gehälter steigen rückwirkend zum 1. September um 80 Prozent. Die Unterstützung für Minderbemittelte wurde um 81 Prozent angehoben. Die letzte Inflationsanpassung fand im April statt. Den Volksdeputierten aller Ebenen kündigte er ebenfalls in einem Erlaß „soziale Garantien“ an. Das Finanzministerium scheint vorher nicht gefragt worden zu sein, über die Finanzierung der Anpassungen gab es keine klaren Vorstellungen. Aus Protest gegen die Auflösung des Parlaments kündigte die sibirische Stadt Nowosibirsk an, sie werde jetzt eine sibirische Republik gründen, um sich vom Zentrum abzukoppeln. Khd