„Ich vertrete nur mich“

■ Dead Can Dance gastieren im Oktober in Hamburg/ Eine Wanderschaft in Brendan Perrys Privat-Labyrinth

Im wallenden Norweger-Pullover, mit ordentlich gespitztem Bart und der von der Mähne des Romantikers übriggebliebenen Kurzhaar-Frisur ähnelte Brendan Perry einem Landjunker im Freizeit-Look. Das Gut des Chefs der Gruppe Dead Can Dance liegt in Irland, wo Perry Kindheitserinnerungen, Fabeltiere und Land-schaftsbeschreibungen von Mönchen aus dem 16. Jahrhundert für das neue Album Into The Labyrinth raffte. Für eine kurze, aufschlußreiche Audienz erhielt Kristof Schreuf Zugang zu den provisorischen Gemächern Perrys irgendwo auf dem europäischen Festland.

taz: Die vielen atmosphärischen Momente und Schlaufen sowie der orientalisch bis esoterisch abhebende Gesang auf „Into The Layrinth“ vermitteln mehr als mystisches Interesse. Jeder gesungene Ton und jede gespielte Note klingen höchst bedeutungsvoll und jahrhunderteumspannend zugleich. Bekommt man da vor Überlastung nicht wirklich bald Lust, den Toten das Tanzen zu überlassen?

Brendan Perry: Ich kümmere mich nicht darum, ob und wer zu meiner Musik tanzt. Ich habe mir für die neuen Songs überlegt, wie es war, als mich meine Eltern vor vielen Jahren mit auf den Rummelplatz nahmen. Ich bekam dort viele seltsame Dinge und Wesen zu Gesicht. Wenn wir danach noch im Wald spazieren gingen, bekam meine Phantasie gleich noch einmal neue Nahrung.

taz: Bedeuten Dir Kinder, die jährlich frequentierte Begegnungsstätte Stonehenge und die Hippie-Bewegung etwas?

Perry: Meine Musik hat doch nichts mit den Hippies zu tun! Was ich tue, hat mit Ehrlichkeit zu tun und nicht mit gestapelten Felsen, mit meiner Vergangenheit und nicht mit der Kindheit anderer.

taz: Glaubst Du nicht, daß man mit Deiner Platte das Problem haben könnte, daß man sich die Werturteile, die in ihr stecken, aussuchen kann?

Perry: Die Platte ist absolut nicht wahllos. Sie kommt aus dem Herzen und bewahrt mich davor, meine Angriffslust gegen mich zu wenden. Es ist wie ein therapeutischer Effekt, Kunst lediglich inbegriffen.

taz: Gibt es nicht auch Musik, die darauf abzielt, die Angriffslust gegen sich selbst zu richten?

Perry: Nicht für mich. Jeder der so denkt, würde mich schon durch seine bloße Gegenwart krank machen. Musik, die mit solchen Absichten gemacht wird, hätte nichts mit dem Herzen zu tun.

taz: Die Musik, die Du schreibst hat also vornehmlich mit Heilung, Selbstbegegnung und wie ich vermute religiösen Absichten zu tun.

Perry: Ich vertrete nur mich, keine Dogmen und „heilen“ kann ich auch nur meine Person. Auf Religion kommt man, wenn man Landschaften betrachtet, nicht, wenn du dich schlecht fühlst. „Into The Labyrinth“ bedeutet, daß man weiß, wo man sich verirrt, und daß es Plätze gibt, an denen das Labyrinth aufhört, die mich aber nicht interessieren. Sonst würde ich ja auch keine Platten machen.

12.10., Musikhalle, 21 Uhr