: „Für Fachleute nichts Neues“
■ Nach dem Fleischskandal: Ist die Lebensmittelkontrolle in Hamburg besser als ihr Ruf? / Gesundheitsgefahren angeblich nicht so groß Von Vera Stadie
Für die Fleischbeschau vor Ort in Supermärkten und Läden sind in Hamburg die Bezirksämter zuständig. Und die müssen sich in diesen Tagen häufig rechtfertigen, warum es ihnen entgangen ist, daß in ihren Stadtteilen gammelige Ware feilgeboten wird. „So etwas darf eigentlich überhaupt nicht sein“, meint Heinrich Brammann, Leiter des Altonaer Wirtschafts- und Ordnungsamtes. Steht doch auch „Safeway“ in der Großen Bergstraße auf der unrühmlichen Liste der „schlimmsten Proben“ im „stern“.
Die Tester von der Verbraucher-Zentrale hatten dort im August verfärbte, leicht faulige Hähnchenbrustfilets erworben. Die Schuld sieht Brammann in diesem Fall weniger beim Supermarkt – „das hätte jeder andere Laden sein können“ – als beim Erzeuger: „Safeway hatte das Produkt originalverpackt aus einer Geflügelschlachterei in Nordrhein-Westfalen bekommen“. Das Mindesthaltbarkeitsdatum fiel mit dem Kaufdatum zusammen, die Hähnchenbrust hätte also noch genießbar sein müssen.
„Die Hersteller müssen überprüft werden!“ fordert Brammann. Denn Fäkalbakterien wie das Darmbakterium Escherichia Coli, das die Untersucher vom Ahrensburger „Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung“ in einigen der Fleischproben fanden, gelangen durch Unsauberkeit beim Schlachten, Ausnehmen und Verarbeiten ans Fleisch.
Fleischbeschau zwischen Blankenese und St. Pauli. In Altona sind acht amtliche Lebensmittelkontrolleure unterwegs. Sie müssen nicht nur rund 500 Geschäfte überwachen, die Fleisch oder Wurst anbieten, sondern noch sämtliche andere Lebensmittelhändler sowie rund 800 Gaststätten. Kein Wunder, daß jeder einzelne Fleischladen nur alle sechs Monate Prüf-Besuch bekommt – allerdings ohne Voranmeldung, versichert Brammann. Die Kontrolleure untersuchen die Waren auf Aussehen und Geruch, checken Haltbarkeitsdaten und den Zustand der Kühltruhen.
Aussortiert wird alles, was nach Frostbrand aussieht, also tiefgefrorenes Fleisch mit bläulichen oder rötlichen Verfärbungen. „Manche Kunden fassen die Ware grob an, die Folie zerreißt, der Frost geht direkt ins Fleisch“, erläutert Brammann. Gefrierbrand mindert zwar die Qualität der Ware, ist aber nicht gesundheitsschädlich.
Richtig ungesund sind dagegen Krankheitserreger auf Schnitzel oder Keule. Die spürt die städtische Veterinäruntersuchungsanstalt in ihren Labors auf. Monatlich landen dort vier bis acht Fleisch- und Wurstproben aus Altonaer Läden. Mehr können die Labors nicht bewältigen, die darüberhinaus noch etliche andere Lebensmittel aus allen Teilen der Stadt testen müssen.
Ist die Ware nicht in Ordnung, kann Bußgeld verhängt, im schlimmsten Fall der Laden geschlossen werden. „In den letzten zwei Jahren haben wir nicht eine einzige Fleischbeschwerde gehabt“, so Amtsleiter Brammann. Die Forderung der Verbraucher-zentrale nach mehr Kontrolle findet er legitim, aber: „Da müssen Sie bei der Gesundheitsbehörde anfangen, mehr Untersuchungskapazität, mehr Wissenschaftler in den Untersuchungsanstalten und mehr Personal in den Bezirken“.
Zufrieden mit dem Zustand der Lebensmittelkontrolle in Hamburg ist Peter Brehm, bei der Gesundheitsbehörde zuständig für tierärztliche Lebensmittelüberwachung. Die Überwachung sei mit 70 Kontrolleuren und 13 Amtstierärzten „gar nicht so schlecht“. Der Veterinär räumt ein: „Wir können nicht jedes Lebensmittel in Hamburg jeden Tag überprüfen“. Der neue Fleisch-Skandal sei nur eine Sache der Auswahl. „Wenn wir gezielt nur auffällige Lebensmittelproben nehmen würden, wie die Verbraucherzentrale es getan hat, kämen wir natürlich zu dem gleichen Ergebnis“. Im Prinzip hätten die amtlichen Stellen die gleichen Beanstandungen. „Für Fachleute ist das nichts Neues“.
Aber für Kunden ziemlich widerwärtig, auch wenn laut Brehm bei den im „stern“ aufgelisteten „schlimmsten Proben“ die Gesundheitsgefahr „eher gering einzuschätzen“ ist. So mindert Frostbrand, den die Tester bei knapp der Hälfte der beanstandeten Fleischstücke monierten, zwar die Qualität der Ware, ist aber nicht gesundheitsschädlich. Auch die Gesamtkeimzahl – mehr als 100 Millionen Keime pro Gramm wuchsen laut Verbraucherzentrale auf knapp einem Viertel der Proben – sagt nicht viel über Gesundheitsgefahren. Es können massenhaft unschädliche, sogar nützliche, aber auch lebensmittelzerstörende und krankmachende Bakterien dabei sein, und all diese Keime werden durch Kochen oder Braten abgetötet.
Offizielle Grenzwerte für die auf Fleisch zulässige Gesamt-Bakterienzahlen gibt es nicht. Das Hamburger Veterinäruntersuchungsamt beanstandet erst bei „sensorischen Veränderungen“. Mit anderen Worten, nur was grünlich schmierig aussieht und gammlig riecht, ist zum Verzehr nicht geeignet und wird aus dem Verkehr gezogen.
Auch Escherichia Coli, das Darmbakterium, ist nicht unbedingt ungesund, deutet aber auf Verunreinigung mit Fäkalien hin. Wenn seine Zahl pro Gramm Fleisch die Million übersteigt, wie das Lefo-Institut feststellte, ist „mit Sicherheit irgendwo fürchterlich geschlampt worden“, so Brehm. Die Qualitätskontrolle in den Schlachtbetrieben stuft er als „verbesserungswürdig“ ein. Allerdings würden in manchen Läden auch die Lagerbedingungen nicht eingehalten. Bei Frischgeflügel gilt das Haltbarkeitsdatum für eine Temperatur von -4 Grad, wird die überschritten, fängt das Huhn schon vor Ablauf des Datums an zu gammeln.
Überhaupt ist bei vom Hersteller verpackter Ware dieser für das Haltbarkeitsdatum zuständig – allerdings nicht dafür, daß auch ordnungsgemäß gekühlt wird. In den Tresen und Truhen einiger Läden scheint es nicht so kühl zu sein, wie es die Frische erfordert.
Bleibt also ein ungewisses ekliges Gefühl.
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