„Stillstand wegen Voscherau“

■ Sprengt der Richtungsstreit die SPD? / GAL-Spitzenfrau Krista Sager sorgt sich um den Zustand ihres Wunschpartners / Fragen    von Florian Marten

taz: Frau Sager, die Annäherungen der SPD werden immer ungestümer. Nach dem Schnuppern nun das Ausloten. Wie fühlen Sie sich als zärtlich umworbene grüne Braut?

Krista Sager: (lacht) Na, ich fühl mich im Moment auf die Wartebank geschoben. Die SPD will Zeit gewinnen, um mit ihren Schwierigkeiten fertigzuwerden. Es ist offenkundig, daß es in der SPD eine breite Bewegung in Richtung auf Rot-Grün gibt.

Was war los am vorigen Freitag? Der Bürgermeister spricht von „Gefühl und Wellenschlag“, von Entscheidungen, die man nicht ins Blaue hinein treffen dürfe. Was haben sie der SPD verheimlicht?

Gar nichts. Wir können der SPD aber natürlich jetzt keine Angebote machen, die sie einkassiert, bevor sie überhaupt erklärt hat, daß sie mit uns verhandeln will.

Was werden Sie der SPD jetzt denn erzählen? Daß und wie Sie als grüne Finanzsenatorin den Haushalt sanieren?

Das könnte ja nicht einmal die SPD selbst erzählen. Wir können die Denkpause der SPD jetzt nutzen, um einige Gesprächspunkte zu vertiefen. Ich habe gestern mit Voscherau angedacht, noch einmal über Müll, Finanzen und Kriminalität zu reden. Wir werden ihn fragen, wie er sich denn einen Kompromiß in der Hafenstraße vorstellt und wo sich die SPD bei der Bezirksverwaltungsreform bewegen könnte. Aber auch für die SPD wird wohl gelten: Vor den richtigen Verhandlungen verrät sie nichts.

Wir sind jetzt nicht in einer Situation, in der schon Kompromisse ausgedealt werden. Voscherau muß erst erklären, ob er mit uns verhandeln will.

Die SPD wartet aber wohl auf Koalitionssonderangebote von GAL und Wegner.

Auf der Tagesordnung steht etwas ganz anderes. Die SPD muß den erlittenen Vertrauensverlust in der Stadt politisch bewerten. Sie muß endlich Farbe bekennen: Soll es eine Modernisierung geben, eine Erneuerung, eine Öffnung auch für neue politische Ziele? Oder will sie eine Große Koalition im Kleinformat? Soll die Stadt modern und rot-grün regiert werden, soll Stillstand herrschen oder gar 'ne Rolle rückwärts?

Diese Entscheidung ist seit vielen Jahren überfällig, wurde aber aus machtstrategischen Erwägungen immer wieder vertagt. Jetzt muß die Antwort fallen. Und das tut der SPD weh.

Spenden die Grünen einen Notarztwagen?

Die SPD muß zu einer Rich-tungsentscheidung kommen, ohne daß ihr der eigene Laden um die Ohren fliegt. Ich bin gespannt, wie sie das gehandelt kriegen. Dazu kann ich wenig beitragen. Es ist auch nicht mein Problem.

Die SPD hat Probleme, der Senat ist – dank der vordemokratischen Verfassung – in einer starken Situation. Er kann verhandeln und verhandeln und bleibt doch im Amt.

Die Verfassungssituation ist an dieser Stelle zwar absurd – wir wollen das ändern –, der politische Spielraum in der Stadt ist für solche Spiele heute aber zu eng. Das würde – auch dank der aufmerksamen Medienlandschaft – nicht gutgehen. Voscherau hat doch angekündigt, es werde mit ihm keinen Stillstand geben. Nun gibt es Stillstand – seinetwegen Das steht er nicht lange durch.

Die grüne Braut auf der Wartebank hat offensichtlich viel Geduld mit dem älteren Partner, der noch mit sich ringt, ob er die Vermählung mit der Jugend wagen kann ...

Na, ganz zur Jugend gehöre ich selber ja auch nicht mehr. Geduld habe ich auch in meiner eigenen Partei lernen müssen. Das kommt mir heute sehr zugute. Siehe auch Seiten 4 und 10