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Bosnien: Gewaltfreier Widerstand wurde diffamiert

■ Betr.: DGB-Veranstaltung und Bosnien-Debattenseite „Lieber Völkermord oder lieber Uno-Krieg?“ in der Bremer taz vom 4.9.93

1. Der Berichterstatter verwechselt etwas, wenn er „der scheinbare Grundsatz (nicht mit militärischen Mitteln) gilt jetzt für Bosnier, er gilt nicht für diverse Befreiungsbewegungen...“, nun als Motiv der „Friedensbewegung“ anführt für „lieber Völkermord“. Die Symphatie steht eindeutig: Solidarität und Hilfe für die Opfer. Während der Veranstaltung wurde mehrfach gesagt, daß es keine Demonstrationsteilnahme gibt bei einer eventuellen Bombardierung der serbischen Artilleriestellungen um Sarajevo durch die U.S. Air Force.

2. Über die während der Veranstaltung geäußerte Alternativ-Möglichkeit, gegen das Morden vorzugehen, stand kein Wort in der taz. Deshalb konnte der Artikel so einfach überschrieben werden mit „lieber Völkermord oder lieber UNO-Krieg“. Weil die Bosnier nicht nur von serbischen, sondern auch von kroatischen Kriminellen (regulären Armeen) beschossen werden, wurde vorgeschlagen, daß z.B. in Mostar deutsche Spitzenpolitiker wie Kanzler und Präsident, aber auch (grüne) Minister und Senatoren sich abwechseln sollten, um zumindest während dieser Zeit einen kroatischen Granatenbeschuß zu unterbinden. Erklärend hierzu: Die Deutschen haben in Kroatien ein enormes Ansehen, was ich selbst mehrfach feststellen konnte. Für die von serbischem Militär belagerten Städte (z.B. Sarajevo) wären die Deutschen m.E. weniger geeignet, Politiker, aber auch andere Promis (Sport, Kunst, Medien?) aus Frankreich oder Rußland würden hier wahrscheinlich erfolgreicher sein.

3. Es gehört auch zur Solidarität, Kritik zu üben an Kriegsverbrechen der bosnischen Armee, das taten sogar Mitglieder der bosnischen Verhandlungsdelegation in Genf.

4. Als in den von Hitler-Deutschland besetzten Ländern der „Juden-Stern“ als Aufnäher für jüdische Bürger angeordnet wurde, mußte kurz danach „aus gegebener Veranlassung“ ein Verbot mit Strafandrohung durch die Besetzer erlassen werden. Hatten da doch Einwohner, welche anders- oder nichtgläubig waren, auch einen „Judenstern“ angenäht. Es wurden viele Juden versteckt und ihnen bei der Flucht geholfen. Einige haben aber auch zu Waffen gegriffen. Es gab bewaffneten und gewaltfreien Widerstand. Die Menschen, welche „nur“ gewaltfrei gekämpft haben, als Anhänger der „Lieber Völkermord-Fraktion“ zu bezeichnen, wäre eine Diffamierung.

4. Eine Bombardierung der Stellungen der Besetzer wird sicherlich Erleichterung für die Belagerten erzielen. Es wird also eine Hilfe sein, aber die Lösung kann nur durch die Beendigung des Krieges erfolgen. Das kann m.E. nur nach Vereinbarungen mit den kroatischen und serbischen Angreifern erfolgen. Diplomatischer und wirtschaftlicher Druck (z.B. durch die Bundesregierung) würde hier sehr hilfreich sein. Gerrit Guit, Bremen

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