Die Jungen sind neidisch

■ Die Idee der Kulturbehörde, das Staatsorchester zu privatisieren, findet wenig Anklang

Das Bremer Staatsorchester eine GmbH? Lösgelöst von seinen Verpflichtungen im Theater, wo statt seiner auch mal Auswärtige oder unsere Kammerphilharmonie die Musik machen dürfen? Dafür Geld verdienen auf Gastspielreisen? Der tiefere Gedanke der Kultursenatorin, in einem Strategiepapier vor fünf Wochen kundgetan, lautete: neue Bescheidenheit. Nicht nur als hehres Ziel, sondern bei allen, auch ehrwürdigen Kultureinrichtungen wie dem Philharmonischen Staatsorchester. Bei Durchsicht des Kulturetats stachen ihr die vier Millionen plus Personalkosten dieser traditionsreichen Institution ins Auge — was tun? Ihr Vorschlag: Privatisierung.

Der Stein ist im Wasser, die Wellen sind bei den Betroffenen angekommen, im Orchester wird diskutiert. Hauptreaktion: komplettes Unverständnis. Geschäftsführer Herbert Stern: „Was damit bezweckt wird, weiß ich nicht.“ Niemand erklärt es ihm, in der Behörde hat das Thema Zeit. Erst soll der neue Generalmusikdirektor gefunden werden.

„Eine GmbH ist teurer,“ weiß Stern, außerdem sei „ein Betriebsrat schlimmer als der Personalrat“, mit dem derzeit umzugehen ist und der ja noch mit sich reden lasse. Etwa wenn bei 13 Grad Raumtemperatur in der Glocke geprobt werden muß. Außerdem: wenn man mit dem Orchester Geld verdienen müsse, nehme die Kunst Schaden: „Dann setzt man auf Bonbons, auf Spektakel.“ Das Münchener Salonorchester läßt grüßen.

Steffen Drabek hat sich mit anderen Mitgliedern des Orchestervorstandes kundig gemacht: Es gibt privat organisierte Orchester, zum Beispiel in Mainz oder Essen, die aber nicht billiger seien als die staatlichen, denn sie bräuchten einen immens vergrößerten Verwaltungsapparat.

Personalorganisation, Werbung, Gehaltsabteilung: Das macht im Moment die Behörde — das Staatsorchester wird von zwei Personen verwaltet, die kleine Bremer Kammerphilharmonie dagegen benötigt schon acht MitarbeiterInnen dafür. Billiger also nicht, aber der GmbH kann Drabek schon etwas abgewinnen: Wenn man im Orchester zum Beispiel an Plattenaufnahmen denke, scheitere das einfach am Verwaltungsaufwand. „Die Schwerfälligkeit des Apparats spricht für Privatisierung.“

Hohngelächter erntet die Vorstellung des Orchestervorstandes, mit Gastspielen Geld zu verdienen, beim Vorsitzenden des Landesmusikrates Klaus Bernbacher, der im Hauptberuf die Abteilung E-Musik bei Radio Bremen leitet: „Glauben Sie, daß irgend jemand das Bremer Staatsorchester engagiert? In der Ukraine? Afrika? Syke?“ Der Ruf des Orchesters ist von bestens an den unteren Rand der Kategorie A abgerutscht, bei der Besetzung muß fürchterlich improvisiert werden, manchmal sitzen 20 Aushilfen im Orchester.

Bernbacher, dessen Wertschätzung des Staatsorchester sich in Grenzen hält, hat ansonsten „Sympathie für die Privatisierung. Die GmbH ist effektiver; es gibt keine effektive Behörde.“ Nur dürfe sich der Staat nicht damit aus der Verantwortung stehlen: „Der Staat muß Hauptgesellschafter bleiben.“

Von den MusikerInnen gibt es gegensätzliche Reaktionen. Für die Älteren, von der jahrelangen Mängelwirtschaft gezeichnet, gelte: „Die beste Zeit ist vorbei, nach mir die Sintflut“, wie ein Orchestermitglied berichtet. Nur die Jungen, Ambitionierten, von der Konkurrenz durch die importierte (private) Kammerphilharmonie angestachelt, erhofften sich frischen Wind mit der GmbH. „Die sind richtig neidisch.“ Burkhard Straßmann