Betrunkene ab in die Zelle?

■ Innensenator van Nispen wünscht sich eine Zentralambulanz zur Ausnüchterung

Die Polizei ist mit der Betreuung von Betrunkenen überfordert. Diesen Schluß zieht die Innenbehörde, nachdem am vergangenen Samstag ein stark angetrunkener Mann in der Ausnüchterungszelle des Waller Reviers gestorben ist. Die Polizeibeamten hatten ihn auf der Straße gefunden und mit auf die Wache in Walle gebracht. Dort hatten sie, wie vorgeschrieben, nach einer Viertelstunde nach dem Mann geschaut, aber da reagierte er schon nicht mehr. Trotz Wiederbelebungsversuchen starb der Mann im Polizeigewahrsam. Die Todesursache ist noch unbekannt.

Innensenator van Nispen schlägt nun vor, eine rund um die Uhr mit Fachpersonal besetzte Zentralambulanz für Betrunkene, Junkies und andere „hilflose Personen“ zu schaffen. Die Krankenhäuser sind nämlich für „bloß“ Betrunkene nicht zuständig.

Die Bremer Polizeiwachen haben im Schnitt drei Ausnüchterungszellen. Darin sollen Betrunkene „verwahrt“ werden, um einerseits die Öffentlichkeit zu schützen, andererseits die Betrunkenen selbst. „Die torkeln uns sonst nur vor's nächste Auto“, sagt Polizeipressesprecher Pestrup. Die BeamtInnen sind verpflichtet, in den ersten zwei Stunden jede Viertelstunde nach den Leuten zu sehen.

„Auch innerhalb dieser Viertelstunde kann jemand am Erbrochenem ersticken“, sagt dazu Merve Pagenhardt, Sprecherin der Innenbehörde. Zudem hätten PolizeibeamtInnen außer einem Erste-Hilfe-Kurs keinerlei medizinische Ausbildung. Van Nispen möchte deswegen bald mit dem Gesundheitsressort über die Gründung einer Zentralambulanz reden — Vorbild ist die Hamburger Zentralambulanz für Betrunkene (ZAB).

Diese Ambulanz ist rund um die Uhr mit einem Arzt und zwei Pflegern besetzt. Die betrunkenen Männer und Frauen werden in zwei Sälen mit insgesamt 15 Matratzen oder, falls sie randalieren oder stark verschmutzt sind, in vier gefliesten Einzelzellen untergebracht. Die PatientInnen werden über Monitor überwacht. Mindestens halbstündlich wird die Pupillenreaktion und die „Weckbarkeit“ untersucht, um so zum Beispiel rechtzeitig eine Hirnblutung festzustellen — etwa als Folge eines Sturzes.

Die fast zwanzig Plätze reichen offenbar aus, da die Polizei auch weiterhin leichter angetrunkene Personen aufnimmt und jedes der zehn Bezirkskrankenhäuser eine Ausnüchterungszelle hat. Außer einer Kleiderkammer und Duschen hält die ZAB keinen weiteren Komfort bereit. Ein Frühstück würde sie nur zur Anlaufstelle machen, meint ein Pfleger.

Eines jedoch bietet auch die ZAB nicht: eine Behandlung. Sie verwahrt nur. Verbände anlegen und im Notfall beatmen — mehr ist an Behandlung nicht drin. Außerdem werden nur Betrunkene aufgenommen. Junkies und Betrunkene könne man unmöglich zusammenlegen, sagt ein Pfleger.

Das Gesundheitsressort sieht für solch eine Einrichtung jedoch keinerlei Bedarf. „Wir haben Versorgungsstrukturen, die ausreichen, wenn sie nur genutzt werden“, so Jochen Eckertz vom Gesundheitsressort. Die PolizeibeamtInnen könnten jederzeit den ärztlichen Notdienst rufen. Eine Zentralambulanz nach Hamburger Vorbild würde keine größere Sicherheit bieten, da dort auch nur verwahrt, nicht aber behandelt werde.

Gänzlich hanebüchen findet Eckertz den Vorschlag von Annegret Pautzke (FDP), in eine Zentralambulanz nicht nur Betrunkene einzuliefern, sondern auch Personen, die unter einem Unterzuckerungskoma leiden. Ein Diabetiker würde sich bedanken, so Eckertz, wenn er in eine solche „Kotzbude“ käme. cis