Sanfte Anschläge auf Gitarrensaiten

Ob Sixties-Melodie, Gitarrenklang-Artenschutz, Girlie-Group-Förderung oder Vinyl-Kult: Mike Korbiks Twang!-Label hat sich allseitiger Hege, Pflege und Liebhaberschaft verschrieben  ■ Von Gerrit Bartels

Kakaoduft der anliegenden Schokofabrik durchzieht die Birkbuschstraße in Steglitz; der übliche Durchgangsverkehr sowie eine Eisen- und Stahlverarbeitung sorgen für einen angemessenen Lärmpegel. Im Haus Nr. 47 selbst deutet nur ein runder Aufkleber an den Postkästen darauf hin, daß hier das Twang!-Label seinen Sitz hat.

Im zweiten Stock dann das Hauptquartier, die Wohnung von Mike Korbik und seiner Familie. Ein Zimmer dient vollständig zur Abwicklung der Labelgeschäfte, und entsprechend sieht es auch aus: an den Wänden Regale voller CDs und Platten, auf dem Boden, eng an eng gepackt, Kisten mit Singles, Platten und Zeitschriften. Ein Schreibtisch mit Computer und Telefon und natürlich eine Anlage vervollständigen das Bild. Business als usual, bloß ein bißchen privater.

Mike Korbik ist alles in einem: Mitbegründer, Besitzer, Macher und Promotor von Twang!, einem fast schon historisch zu nennenden Berliner Kleinlabel, einem Kultcharakter. Die meisten Bands von Twang! sind zwar schon in die ewigen Jagdgründe der Rockgeschichte eingegangen, doch viele von ihnen bestimmten in den Achtzigern durch auffällige Präsenz das Livegeschehen der Stadt. The High Jinks, The What ... For, LES Black Carnations, The Beatitudes, The Chud oder die Candydates (die es immer noch gibt) halten eine kleine, aber eingeschworene Fangemeinde. Es muß auch etwas mit dem Wiedererkennungswert zu tun haben. Das Spektrum von Twang! war (und ist!) Musik, die sich, laut Mike, „ganz puristisch zwischen Sixties-Beat, Rhythm & Blues und melodischen Punk-Sachen der späten Siebziger bewegt“.

Natürlich ist das auch Korbiks favorite flavour: 1982 suchten die Beatitudes per Kleinanzeige im Tip einen Bassisten, der sich bevorzugt auf Sixties-, Beat- und Psychedelic-Musik einstimmen sollte – im Zeitalter von Postpunk und New Wave ein außergewöhnliches Begehren. Mike meldete sich, eigentlich „ohne große Ambitionen“, wie er versichert, und wurde dann auch nicht der Beatitudes- Bassist, sondern Freund, Fan und Manager.

Für die erste Beatitudes-Platte fand sich zu jener Zeit naturgemäß kein Label, und so gründeten Mike und ein Mitglied der Beatitudes – sie nannten ihn Sandy Hobbs – 1983 Twang!. Der Name ist als Reminiszenz an das Geräusch gemeint, das man beim sanften Anschlagen einer Gitarrensaite erzeugt (auch durch englische Dictionaries bezeugt, wie Mike schmunzelnd erläutert).

Sandy Hobbs war danach sozusagen der rote Faden für die weiteren Twang!-Veröffentlichungen, denn mit jedem seiner Bandwechsel stieg die Anzahl der Twang!- Platten. Nach seinem Ausstieg bei den Beatitudes gründete er die Band Blekker Nation – übrigens die erste musikalische Spielwiese von Katharina Frank von den Rainbirds –, und nach einem Jahr und einer Platte wechselte er zu The Chud, deren erste Single natürlich auch bei Twang! erschien.

In diesem Fall trat Mike Korbik zum ersten Mal in die „finanzielle Vorlage“, was sich, wie sonst kaum noch einmal, als einigermaßen lohnend erwies: „Don't Call Me Batman“, 1986 veröffentlicht, wurde die erfolgreichste Platte aller Zeiten bei Twang!, verkaufte sich an die 2.000mal, wovon 800 in die USA gingen. Überschneidungen und Beeinflussungen durch Batman-Filme und -Fieber mag Mike dabei nicht ausschließen. Ein Jahr später eröffneten Mike und ein Freund dann sogar einen Plattenladen namens Twang!-Tone, Anlaufstelle und oft auch wirtschaftliche Grundlage für weitere Twang!-Produktionen. Mike: „Der Laden ist fünf Jahre mehr schlecht als recht gelaufen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir das Geld, was wir damit erwirtschafteten, in neue Twang!-Platten hineingesteckt haben. Im nachhinein hat sich das als falsch, zumindest für den Laden, erwiesen. Seit einem halben Jahr gibt es das Geschäft nicht mehr, allerdings aus anderen als den zu vermutenden finanziellen Gründen.

Doch ohne Geld geht natürlich trotzdem nichts. Nach einem Reinfall mit den High Jinks, die sich kurz nach Fertigstellung ihrer ersten LP auflösten – und somit Promotion und Verkauf erheblich erschwerten – sah Mike sein Steckenpferd schon am Rande des Bankrotts. Er zog sich als Geldgeber zurück, stellte den Bands, bei Interesse, nur (?) noch Zeit und Wissen zur Verfügung. Die Gruppen, die bei Twang! veröffentlichen wollten, mußten die ganze Produktion selber bezahlen.

Daran hat sich bis heute wenig geändert, und man darf sagen, daß Twang! im althergebrachten Sinn kein Label, keine Plattenfirma mehr ist. Auch das Programm für die Zukunft ist den Umständen angepaßt: Mike hat sich Pflege und Erhaltung der Vinyl-Single verschrieben: Waren die meisten Twang!-Sachen früher schon Kleinode, so sind sie es jetzt im noch wahreren Sinn des Wortes. Korbik hat den Twang!-Singles- Club gegründet, in dem Bands Platz finden sollen, die weiterhin Beat und Pop im Stil der Sixties und Seventies machen.

Aber nicht nur die finanzielle Risikominimierung sorgte für diese neue Ausrichtung bei Twang!. Mike: „In dem Bereich, wo Twang! sich bewegt und anbietet, gibt es viele sehr hartnäckige Vinyl-Fans, die weiter die schwarzen Scheiben haben wollen. Und mit Only-Vinyl-Alben komme ich kaum noch in die großen Läden hinein. Deswegen mache ich bis auf weiteres keine Longplayer mehr und bediene per Singles- Abonnement, das läuft direkt von mir zum Fan, ohne Vertrieb, und ist überschaubar. Außerdem habe ich so ein größtmögliches Feedback, was ich sehr wichtig finde.“ Das Abo als die Eintrittskarte in die Klang- und Nachrichtenwelt von Twang!.

Das andere „Projekt“, auf das Mike sich in naher Zukunft verstärkt stürzen wird, ist seine Managertätigkeit für die Lemonbabies. Diese All-Girl-Band, bei der Sixties-Posing und Kleinmädchen- Koketterie eine anscheinend für viele verlockende Mischung eingehen, entdeckte er vor zwei Jahren – und veröffentlichte auch ihre erste Single. „Ich habe den Lemonbabies einen Major-Vertrag besorgt und fungiere nun auch offiziell, qua Vertrag, als Manager. Ich kümmere mich um alle Belange der Mädels in geschäftlicher und organisatorischer Hinsicht. Für ihr erstes Album hat Twang! auch die Rechte für die Vinylplatte, da Sony nur noch CDs herstellt.“

Also doch noch ein größeres Album bei Twang!. Vielleicht wird das Label beim breiten Publikum zum Begriff – vorausgesetzt, die Lemonbabies starten mit ihrem Sunshine-Pop richtig durch.