Gähnen in Technicolor

Wissen Sie, was ein „Gähnen in Technicolor“ ist? Nein? Dann achten Sie das nächste Mal darauf, wenn sich neben Ihnen jemand übergibt, weil er zuviel gesoffen hat. Gar nicht zum Gähnen ist dagegen die neue Fernsehshow von Dame Edna Everage, von der auch die obige Definition stammt. Hinter der Dame verbirgt sich der 58jährige Australier Barry Humphries, der sich als Edna darauf spezialisiert hat, die ZuschauerInnen mit Häme und Beleidigungen fertigzumachen.

Angefangen hatte es in den sechziger Jahren, als Humphries den Cartoon-Charakter Barry McKenzie für das britische Satire- Magazin Private Eye zeichnete. McKenzie, ein ignoranter Australier mit schlechten Manieren, wurde bald so berühmt, daß aus den Cartoons ein Film wurde. In dem Film hießen alle Frauen Sheila, außer Humphries, der hieß Dame Edna Everage – seine Karriere als Damendarsteller begann.

Die neue Fernsehshow trägt den Namen „Neighbourhood Watch“. Es beginnt ganz harmlos. Dame Edna sucht sich drei Frauen aus dem Publikum, schleppt sie auf die Bühne und lästert über ihre Kleidung, während sie selbst ein schrilles Minikleid trägt – „Original sechziger Jahre! Meine Figur ist immer noch dieselbe.“

Dann müssen sich die drei Kandidatinnen Fotos von berühmten Häusern und Palästen ansehen und raten, wer darin wohnt. Plötzlich erscheint auf der Leinwand ein unscheinbares Reihenhaus. Das Gesicht von Elaine, der Kandidatin aus Nordengland, verrät nackte Angst. „Da wohne ich“, flüstert sie und erhält für die korrekte Antwort einen Punkt, über den sie sich jedoch nicht freuen kann.

Plötzlich wird die Tür geöffnet. Es ist Marge, die etwa 65jährige Brautjungfer von Dame Edna, die in das Haus eingedrungen ist und sich Elaines Bademantel übergestreift hat. Marge führt das Kamerateam zunächst ins Wohnzimmer, öffnet ein Schubfach und liest ein paar Privatbriefe vor. Elaine winselt um Gnade. Dann geht Marge in die Küche und macht sich über eine Flasche Hustensaft her, bevor sie den Kühlschrank öffnet. Darin findet sie eine Karaffe mit einer gelben Flüssigkeit. „Was mag das wohl sein, Elaine“, fragt Dame Edna scheinheilig. „Das ist Wasser von meinem Sohn“, formuliert Elaine etwas ungeschickt und löst damit bei Edna eine minutenlange Imitation von Gähnen in Technicolor aus. „Igitt, das ist ja widerlich“, empört sich Dame Edna und sagt schließlich: „Wir machen jetzt eine Pause für Werbung, und danach gehen wir ...“ „Nach oben“, brüllt das Publikum, während Elaine langsam vom Stuhl rutscht.

Oben gibt es weitere Schubladen. „Nein, bitte nicht“, schreit Elaine völlig vergeblich. Im untersten Schubfach liegt ein ovaler Handspiegel. „Los Elaine, gib's schon zu“, foltert Edna ihr Opfer, das vor Aufregung rote Flecken im Gesicht bekommen hat. „Du stellst dich morgens immer mit gespreizten Beinen über das Schubfach, um zu kontrollieren, ob dein Schlüpfer im Schritt gerade sitzt.“ Marge geht nun ins Schlafzimmer und legt sich ins Bett, in dem bereits Elaines Vater liegt. „Daddy, Daddy“, geht der gescheckten Elaine langsam ein Licht auf. „Du steckst mit dieser Person unter einer Decke.“ Elaine vergräbt ihr Gesicht in den Händen – verraten vom eigenen Vater und an Dame Edna ausgeliefert. Ralf Sotscheck