Die Idiodyssee

■ "Hearts of Darkness - Coppola dreht ' Apocalypse Now "'

„Hearts of Darkness“,

So., 22.20 Uhr, Premiere

„Dies ist kein Film über Vietnam, dieser Film ist Vietnam“, raunte ein halb durchgeknallter Francis Coppola, als er einem staunenden Publikum in Cannes die Rohfassung präsentierte (auch das hatte vor ihm noch niemand gewagt). „Hearts of Darkness“, eine Dokumentation im Stile des heute so beliebten „The Making of...“ erhärtet diesen Mythos und demontiert ihn zugleich. Coppolas Frau Eleonore hat 60 Stunden der Dreharbeiten gefilmt, und sie den Regisseuren Fax Bahr und George Hickenlooper zur Verfügung gestellt.

Filmemachen und Kriegführen – Coppola brauchte keinen Virilio, um auf die Parallele zu kommen. Nicht umsonst nannte man ihn den „Mussolini von San Francisco“. Gedreht auf den Philippinen, benutzte sein Filmteam die Hubschrauber, mit denen General Marcos die kommunistischen Guerilleros im Süden bekämpfte. Ein Oberst der philippinischen Armee beobachtete die Dreharbeiten permanent, auch weil es Gerüchte gab, die Aufständischen seien schon bis in die zehn Meilen entfernten Berge vorgedrungen. Mitten in kostspieligen, komplizierten Drehs wurden die Helikopter per Funk ins Krisengebiet abgezogen. Jeden Tag kamen andere Piloten zu den Aufnahmen, die nicht wußten, was zu tun ist ... Als dann noch der Tornado „Olga“ das gesamte Drehgebiet überflutete, Sets ruinierte und Statisten in die Flucht schlug, war endgültig klar, daß Coppola niemals mit den zehn Millionen Dollar Budget auskommen würde, die United Artists ihm bewilligt hatten.

Der Film ist eine Montage aus Interviews, Filmausschnitten, Fernsehberichten und Presseechos, die sich locker an der Chronolgie der Filmereignisse orientiert. Dabei wird, en passant, auch noch einmal daran erinnert, daß es Orson Welles war, der 1939 als erster vorhatte, Joseph Conrads „Heart of Darkness“ zu verfilmen. Sein „Massa Kurtz“ sollte ein faschistischer Diktator sein; aber er bekam das Geld nicht zusammen und drehte statt dessen „Citizen Kane“ – wohl eine Fortsetzung des Ursprungsprojekts mit anderen Mitteln. Ob im Herzen der Finsternis der Faschismus wohnt oder ein entfesselter psychedelischer Teenagerismus, ist wohl nur eine Zeitfrage. Leitmotiv ist in beiden Fällen das Thema der Suche: Ein tumber Tor, ein Parzival, ein Conolel Willard wird ausgesandt, um zu Wagnerklängen einen im Dschungelfieber wahnsinnig gewordenen Offizier unschädlich zu machen. Ein Assassin jagt den anderen – Welles hatte vor, beide von einer Figur spielen zu lassen, weil Kurtz nichts anderes darstellt als die dunkle Seite von Willard selbst.

So perfekt die Kombination Brando als Kurtz und dem blauäugig starrenden Kaninchen Martin Sheen auch sein mag, einfach zu halten war sie nicht. Brando verlangte für jeden Drehtag eine Million Dollar und drohte schließlich gänzlich auszusteigen, als der Film nicht zur vereinbarten Zeit fertig wurde. Marty Sheen hingegen, selbst ein Ersatz für den geschaßten Harvey Keitel, erlitt nach einem besonders anstrengenden Drehtag einen Herzinfarkt und mußte für mehrere Wochen aus dem Verkehr gezogen werden. Das Beeindruckendste dieses Dokumentarfilms ist die Begleitung der Eingangsszene, die Sheen in einem Hotelzimmer vor dem Spiegel zeigt, völlig betrunken und völlig außer sich, tanzend, schreiend, Glas zerschlagend, als sei er tatsächlich im Herz der Finsternis angekommen. Mariam Niroumand