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■ Bill Clinton lädt Jiang Zemin nach Seattle einSino-amerikanisches Tauwetter?

China sei es leid, ständig von den USA ermahnt zu werden, hat der chinesische Außenminister Qian Qichen kürzlich vor der UNO in New York gesagt. Die Regierung in Washington führe sich auf wie ein selbsternannter Weltpolizist. Und Qians Chef Li Peng nutzte die Gelegenheit seiner Rede zur Feier des 44jährigen Bestehens der Volksrepublik China, den Amerikanern vorzuwerfen, für die Spannungen in den Beziehungen zwischen beiden Staaten allein verantwortlich zu sein. Tatsächlich schien es, als habe es sich die Clinton-Regierung zum Ziel gesetzt, China ununterbrochen und ohne Rücksicht auf Verluste Lektionen zu erteilen: in Sachen Menschenrechte, Waffenverkäufen und Nukleartests. Auch wenn der Preis – vor allem für die amerikanische Wirtschaft – dafür hoch war.

So frostig wie in den letzten Wochen waren die Beziehungen zwischen beiden Ländern seit dem Tiananmen-Massaker nicht. Die Pekinger Regierung sah sich in die Defensive gedrängt und wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, daß die USA Spielregeln nach eigenem Belieben aufstellten: daß sie China wegen Waffenexporten anklagten – dabei selbst jedoch Kampfflugzeuge nach Taiwan lieferten. Selbst dann, wenn – wie im Falle der angeblichen Lieferung von Chemikalien für die Produktion von Chemiewaffen durch China an den Iran – sich die Beschuldigung als unhaltbar erwies, verweigerten die USA eine Entschuldigung.

Aber was fast wie ein außenpolitisches Konzept zur internationalen Isolierung Chinas schien, muß wohl eher als Folge voneinander relativ unabhängiger politischer Entscheidungen in Washington angesehen werden. In den vergangenen Wochen mehrten sich in den USA die Stimmen, die vor den wirtschaftlichen und möglichen politischen Kosten dieser Politik warnten. Die USA brauchen China für die Zusammenarbeit in der UNO und bei der Lösung regionaler Konflikte. Und sie begreifen sich als Nachbarn im asiatisch-pazifischen Raum, den beide als Wachstumsregion der Zukunft sehen.

Sollte sich das Verhältnis zwischen beiden Staaten nicht bessern, muß US-Präsident Clinton damit rechnen, die im kommenden Jahr wieder anstehende Verlängerung der Handelspräferenzen für China nicht durchsetzen zu können. Und das käme die amerikanische Wirtschaft noch weitaus teurer als das vor wenigen Wochen verhängte Embargo für Hochtechnologie-Exporte nach China, das Washington so gerne schnell wieder aufheben will. Die Einladung Chinas zum Wirtschaftstreffen in Seattle versucht dem Rechnung zu tragen. Jutta Lietsch

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