Palästinenser im Generalstreik

Proteste gegen Festnahme von „Schwarzen Panthern“ in den besetzten Gebieten / Geheimer „Deal“ zwischen PLO-Chef Jassir Arafat und den israelischen Behörden vermutet  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

In den von Israel besetzten Gebieten fand gestern der erste Generalstreik seit der Vereinbarung des „Gaza-Jericho-Abkommens“ statt. Zu der Protestaktion, die weitestgehend befolgt wurde, hatten Vertreter der PLO in Ost-Jerusalem aufgerufen. Der Protest galt der Gefangennahme von sechs Mitgliedern der „Schwarzen Panther“ durch israelische Truppen am Mittwoch.

Die „Schwarzen Panther“ gehören zum bewaffneten Arm der größten PLO-Fraktion, der von Jassir Arafat geführten Fatah. Zu den in der Nähe der in der Westbank gelegenen Stadt Jenin Festgenommenen gehört auch der Führer der Gruppe, Ahmad Awad Ali Kamil. Alle sechs standen seit langem auf israelischen Fahndungslisten. Die PLO-Vertreter bezeichneten die Militäraktion als grobe Verletzung der erst kürzlich unterzeichneten Abkommen und anderer Absprachen zwischen der PLO und der israelischen Regierung. Ahmad Tibi, ein Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit, übermittelte dem in New York weilenden israelischen Außenminister Schimon Peres den Protest per Telefon. Tibi gilt seit langem als Verbindungsmann zwischen der israelischen Regierung und der PLO-Führung in Tunis. Kürzlich war er zum Sonderberater Arafats ernannt worden.

Sari Nusseibeh, ehemals Mitglied der palästinensischen Verhandlungsdelegation in Washington, forderte, Israel müsse die Verfolgung bewaffneter Fatah-Leute aufgeben. Schließlich habe Arafat den Fatah-Aktivisten befohlen, keine Israelis mehr anzugreifen, was auch eingehalten werde.

Laut dem israelischen Stabschef General Ehud Barak beabsichtigen die israelischen Behörden jedoch, weiterhin solche Palästinenser zu verfolgen, die in der Vergangenheit an „ernsten Angriffen“ auf Israelis oder Palästinenser beteiligt waren. Es sei „sowohl zum Wohl der israelischen als auch der palästinensischen Gesellschaft“, daß „diese Leute hinter Schloß und Riegel gebracht werden“. Außenminister Peres bestritt, daß Israel in dem Abkommen mit der PLO irgendwelche Verpflichtungen eingegangen sei, bestimmte Palästinenser nicht mehr zu verfolgen. Die israelische Tageszeitung Ha'aretz zitiert dagegen einen nicht namentlich genannten Minister, der entsprechende „ungeschriebene Abmachungen“ zugab. Demnach hätten beide Seiten ausgehandelt, daß die Israelis keine Schritte gegen Fatah-Aktivisten unternehmen, sofern diese „nichts mit Terrorismus zu tun hatten“.

Laut der Zeitung Hadashot ist die Mehrheit der Bewohner von Jenin der Überzeugung, daß die kampflose Verhaftung der „Schwarzen Panther“ das Resultat eines Geheimabkommens zwischen der Fatah und den israelischen Behörden sei. Die Palästinenser hätten sich im Rahmen einer kompliziert aussehenden israelischen Armeeaktion ergeben. Laut Militärberichten nahmen an der Verhaftung als Araber getarnte Mitglieder des israelischen Geheimdienstes Shin Bet und der Luftwaffe teil. Dabei sei den „Schwarzen Panthern“ versprochen worden, sie fair zu behandeln und sie später palästinensischen „Autonomie-Behörden“ zu übergeben.

Einige palästinensische Quellen sind der Ansicht, daß Arafat persönlich an diesem „Deal“ beteiligt war. Nach dieser Version sähe der PLO-Chef die „Schwarzen Panther“ – trotz ihrer Loyalität ihm gegenüber – für die nähere Zukunft gerne „neutralisiert“. Ihre Stärke und ihr großer Einfluß auf die Bevölkerung in der Umgebung von Jenin könnten ihm bei der Umsetzung des Autonomieplanes Unannehmlichkeiten bereiten, heißt es.