Freibrief für die Gentechniker

Bundestag verabschiedete gestern die Novelle des Gentechnikgesetzes / Vor allem die Öffentlichkeit soll möglichst nichts mehr erfahren  ■ Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – Die Gentech- Lobby aus Forschung und Industrie kann zufrieden sein. Mit dem gestern im Bundestag verabschiedeten neuen Gentechnikgesetz hat die millionenschwere Kampagne „Pro Gentechnik“ der Chemischen Industrie ein entscheidendes Etappenziel erreicht. Sollte die Gesetzesnovelle, die noch die Zustimmung des Bundesrates benötigt, wie geplant mit Beginn des neuen Jahres in Kraft treten, wird sie den Gentechikern nicht nur die Anmelde- und Genehmigungsverfahren erleichten. In einer „skandalösen Nacht-und-Nebel-Aktion“, so Beatrix Tappeser vom Freiburger Öko-Institut, haben die Koalitionsparteien von CDU, CSU und FDP zwei Tage vor der entscheidenden Bundestagssitzung noch Änderungen an dem Gesetzesentwurf vorgenommen, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Ein solcher Verfahrenstrick verletze die demokratischen Spielregeln, betonte die Freiburger Gentech-Expertin. Die vorgenommenen Änderungen hätten im Vorfeld nie zur Debatte gestanden.

Bereits im dem vom Bundeskabinett im Mai vorgelegten Gesetzesentwurf war eine Einschränkung der öffentlichen Einflußnahme bei den Genehmigungsverfahren von gentechnischen Produktionsanlagen vorgesehen. Nur noch bei den besonders gefahrenträchtigen Produktionsstätten der beiden höchsten Sicherheitsstufen sollte eine, wenn auch beschränkte Einflußnahme der betroffenen Bürger möglich sein. Anhörungsverfahren für die unteren Sicherheitsstufen 1 und 2 sollten abgeschaft werden.

Mit ihren handstreichartigen Vorgehen haben die Regierungsparteien den Freibrief für die Gentech-Betreiber jetzt noch erweitert. Zukünftig sollen auch bei den besonders umstrittenen Freisetzungsexperimenten von gentechnisch veränderten Organismen die bisher vorgeschriebenen Erörterungsverfahren vollständig abgeschafft werden. Dort mußten sie ihre Vorhaben bislang einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber rechtfertigen.

Einwendungen gegen Freisetzungsvorhaben sollen nach dem neuen Gengesetz künftig nur noch schriftlich vorgebracht werden dürfen. Den Einwendern wird dann schriftlich, zusammen mit dem Genehmigungsbescheid mitgeteilt „inwieweit ihre Einwendungen die Entscheidung der Behörde beeinflußt haben“. Dieses Vorgehen führe „zu einer erheblichen und erwünschten Verfahrensstraffung“, heißt es dazu zur Begründung aus dem Gesundheitsausschuß des Bundestags.

Zum Bedauern der Gentechniker und der meisten Bundestagsabgeordneten konnte man bei der Deregulierung des Gentechgesetzes nicht noch weiter gehen, da EG-Richtlinien dagegenstehen. In einem Forderungskatalog der Max-Planck-Gesellschaft, der als wesentliche Grundlage der Gesetzesnovelle angesehen werden muß, war unter anderem die völlige Freigabe von gentechnischen Anlagen der untersten Sicherheitsstufe 1 gefordert worden. Das sind etwa 95 Prozent der über 1.600 Gentech-Labore. Damit hätte der überwiegende Teil aller gentechnischen Projekte ohne jegliche Überwachung und Kontrolle stattfinden können. Selbst eine Registrierung wäre damit weggefallen, so daß die Behörden noch nicht einmal Kenntnis darüber gehabt hätten, wo überhaupt gentechnisch gearbeitet wird.

Die EG-Vorschriften lassen das jedoch nicht zu. Die Bundesregierung hatte deshalb schon einen Vorstoß in Brüssel unternommen, ist jedoch auf den Widerstand der anderen EG-Mitgliedsstaaten gestoßen, die derzeit nicht an dem EG-Recht rütteln wollen.

So bleibt es bei der Verfahrenserleichtung und vor allem bei der Verkürzung der Bearbeitungszeit der Anträge. Hatten die Behörden bisher drei Monate Zeit, einen Antrag zu bearbeiten und die vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen zu überprüfen, verkürzt sich jetzt diese Frist auf ein beziehungsweise zwei Monate. In dieser Zeit sollen zudem auch noch anderweitige Genehmigungen wie zum Beispiel nach dem Abwasser- oder Bundesimmissionschutzgesetz eingeholt werden. Eine umfassende Sicherheitsanalyse ist nach Meinung von Kritikern so schnell nicht möglich.

Bereits im Juli hatte der Bundesrat zu dem Kabinettsentwurf Stellung genommen und zahlreiche Änderungswünsche vorgelgt. So forderte er unter anderem, daß im Gentechnikgesetz ein Verbot für die Entwicklung von bilogischen Waffen mit aufgenommen wird, moniert hatte er auch die damals schon vorgesehenen Vereinfachungen der Genehmigungsverfahren und die eingeschränkte Öffentlichkeitsbeteiligung. Einige Wünsche des Bundesrates sind in die Novelle mit aufgenommen worden, so zum Beispiel das B- Waffen-Verbot. Viele andere wurden jedoch ignoriert. Obwohl im Vorfeld die SPD-regierten Bundesländer angekündigt hatten, daß sie diesem Gesetzesentwurf nicht zustimmen werden, wird jetzt doch angenommen, daß sich für die verschärfte Fassung im Bundesrat eine Mehrheit finden wird.

Das ursprünglich von der SPD angekündigte Vorhaben, einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen, ist bereits fallengelassen worden. Und selbst bei der Abstimmung in den Bundestagsausschüssen haben die SPD-Abgeordneten nicht konsequent gegen die CDU/ CSU/FDP-Änderungsanträge gestimmt. Sie enthielten sich zumeist der Stimme. Der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Josef Vosen, hatte sogar schon angekündigt, eine Deregulierung der EG-Richtlinien in Brüssel zu unterstützen. Ihm ginge es um den Standort Deutschland, der erhalten bleiben müsse.