Schwülstiger Beigeschmack

■ Eric Jourdan liest heute aus seinem neuen Roman „Das Brot der Liebe“

Nach eigener Angabe habe Julien Green „lange gezögert“, doch dann nannte er Eric Jourdans Roman Charité in „Le Monde“ ein „beunruhigendes, aufregendes Meisterwerk“. In dem weltberühmten Romancier hat der in Frankreich als literarischer Außenseiter geltende Jourdan einen Bewunderer, dem man gerne glauben will.

Nur hat das Lob den Haken, daß es Greens Adoptivsohn und Lebensgefährten gilt. Den Kritiker Green kann man also der Befangenheit verdächtigen. Freuen wir uns trotzdem auf den 93jährigen Amerikaner aus Paris, der Jourdan auf dessen Lesetour begleitet und ihn im Literaturhaus vorstellt. Mit Bettina Wiengarns Übersetzung, im Kellner Verlag als Das Brot der Liebe erschienen, liegt erstmals ein Buch Jourdans auf deutsch vor. Sein Debüt gab er 1956 mit einem Paukenschlag, zu dem ihm die Zensur verhalf: Sie verbot Les mauvais anges (Die bösen Engel) als jugendgefährdend. Dabei hatte ein 15jähriger den Roman zu Papier gebracht. Der Autor schrieb weiter - Prosa, Hörspiele und Theaterstücke. Charité eröffnete 1991 die Trilogie, die Jourdan inzwischen mit Revolte und Sang beendete.

Das Brot der Liebe ist ein ungewöhnlicher Roman, geschrieben mit hohem Risiko. Der Student Ian wird aus seiner Uni-Clique heraus verhaftet und in ein schneeumwehtes „Lager Null“ verschleppt, wo er bestialischen Folterungen beiwohnen muß. Zwar kann Ian seiner Hinrichtung entfliehen, wird aber ein „Gefangener seiner Freiheit“. Der Grund der Verhaftung bleibt unklar, Orte sind nur mit T., S. oder K. bezeichnet, also zog die Kritik die Schublade „Kafka“ auf. Es wundert, daß wegen der Epidemie, die dort grassiert, wo Ian als Eremit lebt, nicht noch der Name Camus fiel. Häufiger als nötig läßt Jourdan die Handlung unter der Gürtellinie spielen. Bei der Beschreibung dieser Regionen - wie auch der Natur - fällt er in einen schwülstigen Ton, der den sauber gespannten dramatischen Bogen der Flucht und des Verrats einknicken läßt wie ein Elefant ein Autodach: Abgeschnitten von Menschen träumt Ian in seinem Versteck von der „geheimnisvollen Grotte“ seiner Freundin Catherine - und sofort „verlangte sein Geschlecht gebieterisch nach seiner Hand“. Durchgehend so präzis-kalt geschrieben wie die Folterszenen, hätte dieser Roman über menschliche Begierde und Bestialität ein anderes Frösteln ausgelöst, als es „Stellen“ der zitierten Art tun.

Reinhard Helling

heute, Literaturhaus, 19 Uhr Eric Jourdan: „Das Brot der Liebe“, Kellner Verlag, 39 Mark