DGB will rot-grünen Neubeginn

■ Kampfabstimmung im Hamburger Gewerkschaftsbund über Koalitionsfrage/ Erhard Pumm bleibt an der Spitze   Von Florian Marten und Sven-Michael Veit

Zunächst hatten Hamburgs Gewerkschaftsfunktionäre es der SPD sanft beibiegen wollen. Doch als die Rechtsgewerkschaften IG Chemie und IG Bau Steine Erden verlangten, auch die Statt-Partei sollte ernst genommen werden, platzte der Kreisdelegiertenversammlung des DGB der Kragen.

In einer Kampfabstimmung verabschiedeten die VertreterInnen von 250.000 Hamburger Gewerkschaftsmitgliedern am Samstag im traditionsreichen Besenbinderhof einen Initiativantrag, der unmißverständlich zur aktuellen politischen Lage in Hamburg Stellung nimmt.

Nach kurzer heftiger, aber sachlicher Debatte beschloß das höchste Gremium der Hamburger Gewerkschaften mit 29 zu 27 Stimmen Klartext: „Wir fordern SPD und GAL auf, dem Votum der Wählerinnen und Wähler zu entsprechen und konkrete Verhandlungen mit dem Willen zur Einigung aufzunehmen. Dadurch könnte gleichzeitig der wachsenden Parteienverdrossenheit entgegengewirkt werden. Arbeitsplätze und Umwelt müssen gesichert, der Sozialabbau gestoppt werden.“

Zuvor hatten sich die IG Chemie und die Baugewerkschafter geweigert, einen vorsichtigeren Antrag passieren zu lassen, welcher das Thema Rot-Grün nur indirekt berührte, indem er den DGB-Kreisvorstand zu Gesprächen vorrangig mit den Grünen aufforderte. Deshalb forderten Vertreter der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) ein Ende des „Herumgeeieres“ und eine klare Stellungnahme. Dem folgte das oberste Organ der Hamburger Gewerkschaftsbewegung prompt.

In dem Beschluß heißt es weiter, daß nun „ein wirklicher Neubeginn gewagt“ werden müsse: „Dies kann in der gegenwärtigen Situation aus Sicht des DGB nur durch eine Zusammenarbeit von SPD und GAL erreicht werden. Keine andere Konstellation kann sowohl Hamburgs Zukunft sichern als auch ein Zeichen gegen die Bonner Politik setzen. Dies kann weder mit einer großen Koalition gelingen noch in einer Zusammenarbeit der SPD mit der Statt-Partei.“

Die IG Chemie-Vorsitzenden von Hamburg und Harburg, Franz Thönnnes und Horst Krämer, kritisierten gegenüber der taz diesen Beschluß: „Es wäre gut gewesen, wenn der DGB aus einer Position der Stärke Arbeitnehmerinteressen mit GAL und Statt-Partei diskutieren würde“. Nach ihrer Ansicht sei „keine der beiden Koalitionsmöglichkeiten von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen gewesen“.

Zu dem Rot-Grün-Beschluß hatte der alte und neue Chef Erhard Pumm kräftig beigetragen. Der 48jährige, der zugleich SPD-Bürgerschaftsabgeordneter ist, wurde mit 61 von 67 Stimmen zum zweiten Mal an die Spitze des Hamburger DGB gewählt. Pumm hatte sich zuvor in seiner Rede deutlich gegen eine Kooperation der Sozialdemokraten mit der Statt-Partei ausgesprochen.

Durch den Verlust der absoluten Mehrheit für die SPD ergebe sich die Notwendigkeit zum Kompromiß. Eine Zusammenarbeit mit der Statt-Partei sei aber nicht erstrebenswert. „Die Statt-Partei ist Fleisch vom Fleisch der CDU, für mich unkalkulierbar, unberechenbar, ein großes Fragezeichen und vielleicht sogar eine Seifenblase“, meinte Pumm.

Nach dem Votum für Rot-Grün will der Kreisvorstand des DGB nun am Dienstag in einem Gespräch, an dem auch die grün-kritische IG Chemie „selbstverständlich“ teilnehmen werde, mit der GAL sprechen. Die Themen sind schon klar: Überprüfung der beiderseitigen Positionen zur künftigen Wirtschafts-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik.