Serben nehmen Konzessionen zurück

Schlechte Chancen für Bosnien-Plan / „Militärische und zivile Kooperation“ zwischen Serben und Kroaten angepeilt / UNO-Mandat für Kroatien in der Schwebe  ■ Aus Split Erich Rathfelder

Der entscheidende Tag für die Weiterführung des Krieges oder für die Durchsetzung eines effektiven Waffenstillstandes in Bosnien- Herzegowina ist der 15. Oktober. Dann nämlich soll der Genfer Plan zur Aufteilung Bosniens von allen drei Kriegsparteien unterschrieben sein. Ob diese Unterschriften aber zustande kommen, scheint nach den letzten Entwicklungen zweifelhaft.

Nachdem schon das bosnisch- herzegowinische Parlament in Sarajevo, das aus Volksvertretern aus dem von der Regierung kontrollierten Gebiet besteht, letzte Woche den vorliegenden Plan verwarf und noch einige Nachforderungen formulierte, hat nun auch die Versammlung der bosnischen Serben, die am Wochende in Banja Luka einberufen war, Zweifel an dem Plan angemeldet. Die schon versprochene Zurückgabe von erobertem Land an die „Moslems“ – wie sich Radovan Karadžić und seine Mannen ausdrücken – wurde zurückgenommen. Die Erfüllung weiterer Gebietsforderungen wies die Versammlung der serbischen Nationalisten kategorisch zurück. Die in Genf gemachten Konzessionen wären schon weitgehend gewesen und hätten den guten Willen der Serben überstrapaziert, hieß es aus Banja Luka.

Pikant ist, daß just zum Zeitpunkt der Tagung der serbischen Versammlung zwei hohe kroatisch-bosnische Funktionäre nach Banja Luka fuhren. Jadranko Prlic, der politische Vorsitzende des Kroatischen Verteidigungsrates HVO, und der ehemalige bosnische Verteidgungsminister Bozo Rajic, der zur militärischen Führung der HVO gehört, sprachen mit hohen serbischen Funktionären über „Projekte der militärischen und zivilen Kooperation“, wie aus der Zentrale der Führung von „Herceg-Bosna“ zu hören war. Nachdem schon in den letzten Wochen Serben und Kroaten in Zentralbosnien auch militärisch zusammengingen – so bei der Belagerung der zentralbosnischen Stadt Maglaj –, könnte der Besuch die serbisch-kroatische Kooperation in Bosnien-Herzegowina ausweiten helfen. So werden kroatische Flüchtlinge aus Zentralbosnien schon seit Wochen durch serbisches Gebiet geleitet.

Die Evakuierung der Kroaten Zentralbosniens würde die Möglichkeit schaffen, Zentralbosnien während des Winters völlig von Hilfslieferungen abzuschneiden. Bisher wurde mit Rücksicht auf die Kroaten der Region von kroatischer Seite der UNHCR noch erlaubt, Lebensmittel in diese Gebiete zu bringen, wenn die Lieferungen den Bedarf auch bei weitem nicht decken konnten. Es ist sogar anzunehmen, daß nach einem Scheitern des Genfer Plans zur Aufteilung Bosniens über die militärische Kooperation von serbischer und kroatischer Seite gegen den „gemeinsamen Feind“, die Bosnisch-Herzegowinische Armee (BiH), gesprochen wurde. – Auch das „Parlament“ der selbsternannten Republik Herceg- Bosna hatte vorige Woche in der bosnischen Küstenstadt Neum getagt. Der Ort war nicht zufällig ausgewählt, hatte der bosnisch-herzegowinische Präsident Izetbegović doch vorgeschlagen, Neum zum Hafen eines künftigen restbosnischen Staates zu machen. Die Versammlung wies jedoch territoriale Ansprüche von seiten Restbosniens kategorisch zurück. Sie verwies lediglich darauf, daß die kroatische Hafenstadt Ploce zu einem Freihandelshafen gemacht werden könnte. Die Versammlung hatte sich aber bereiterklärt, grundsätzlich die Bedingungen des Genfer Planes zur Aufteilung Bosniens zu akzeptieren. Kroatische Militärs in dem Gebiet um Stolac, das von der HVO zur Zeit kontrolliert wird, bezweifelten jedoch den Willen der Truppen vor Ort, den Friedensplan zu akzeptieren. Und sie bezweifelten auch, ob das erneute Waffenstillstandsabkommen in Mostar eingehalten werden könnte. Die bosnische Armee (BiH) treffe Vorbereitungen, die Stadt Mostar zu erobern.

Dem Ultimatum des kroatischen Präsidenten Tudjman gegenüber der UNO vom letzten Dienstag, als er die Weltorganisation aufforderte, endlich die Bestimmungen des Vance-Planes für Kroatien durchzusetzen oder die Unprofor-Truppen aus den besetzten Gebieten Kroatiens abzuziehen, setzte die UNO die Verlängerung des Mandats der Unprofor um vier Tage entgegen. Das Mandat war Ende September ausgelaufen. Erst am morgigen Dienstag soll der Weltsicherheitsrat über das Thema entscheiden. Während die USA den kroatischen Wünschen entgegenkommen wollen, meldete Rußland die Bereitschaft an, notfalls das Vetorecht zu gebrauchen, um eine Resolution zu Fall zu bringen, die Kroatien entgegenkäme.