Montanes Handwerk

■ Stahlkocher proben den Jobwechsel

Düsseldorf (taz) – Not macht erfinderisch. Ab sofort können von Arbeitslosigkeit bedrohte Stahlkocher und Bergleute probehalber für drei bis sechs Monate in Handwerksbetriebe wechseln. Das Ziel der gemeinsam vom nordrhein- westfälischen Landesarbeitsamt, den Industrieunternehmen und den Handwerksbetrieben gestarteten Initiative ist es, den Montan- Arbeitnehmern im Handwerk eine neue berufliche Perspektive zu eröffnen. Das Programm richtet sich an jene Arbeitnehmer, die zur Zeit in sogenannten Einsatzbetrieben der Montanindustrie Kurzarbeit Null fahren.

Zwischen Aachen und Soest existieren derzeit 18 dieser Einsatzbetriebe mit zusammen 6.500 Beschäftigten. Das vom Arbeitsamt gezahlte übliche Kurzarbeitergeld wird für diese Gruppe vom jeweiligen Arbeitgeber auf etwa 90 Prozent ihres letzten Nettolohnes aufgestockt.

Während der Schnupperphase im Handwerksbetrieb ändert sich an ihrem rechtlichen und finanziellen Status nichts. Der sie aufnehmende Handwerksbetrieb zahlt während der Eingewöhnungszeit lediglich einen monatlichen Pauschalbetrag von 500 Mark an das entsendende Montanunternehmen. Bei vielen Beschäftigten in den Großbetrieben grassiert nach Auffassung des Ruhrkohlevorstandsmitgliedes Beermann eine Schwellenangst vor dem Handwerk. Weil jetzt den Betroffenen eine „risikolose Schnupperzeit“ ermöglicht werde, gab sich Arbeitsdirektor Alfred Heese von Krupp- Hoesch-Vorstand gestern bei der Vorstellung der Initiative aber optimistisch, daß die Scheu vor der „anderen Unternehmenskultur abnimmt“. In den Stahl- und Bergwerksbetrieben sollen in den nächsten Wochen die Beschäftigten zur Beteiligung ermuntert werden.

Das Handwerk erhofft sich von dem Modell eine Behebung des Facharbeitermangels. Zur Jahreswende 1992 waren im nordrhein- westfälischen Handwerk 27.000 Stellen unbesetzt. Allein die Handwerksunternehmen im Großraum Duisburg suchen nach Angaben des Handwerkspräsidenten Hansheinz Hauser 502 Facharbeiter. Sollte während der Probephase wegen fachlicher Defizite kein Arbeitsverhältnis zustande kommen, wollen die beteiligten Unternehmen den Arbeitnehmern gezielte Qualifizierungsmaßnahmen anbieten. Walter Jakobs