: Keine Einmischung in innere Angelegenheiten
■ Polens Regierung zur Lage in Moskau
Nach den ersten Meldungen über die Kämpfe um die Moskauer Fernsehanstalt unterbrach das polnische Fernsehen sein Programm für eine Sondersendung. Jerzy Marek Nowakowski, Experte des polnischen Außenministeriums, verkündete, eine Ausbreitung der Kämpfe könne für Polen katastrophale Folgen haben: Bei Kaliningrad lägen starke Truppenverbände, deren kürzester Weg nach Rußland über polnisches Gebiet führen würde. Ein Warschauer Privatradio unterbrach alle paar Minuten seine Sendung für aktuelle Meldungen, und wer Russisch verstand, konnte auf dem dritten Kanal des Fernsehens die russischen Nachrichtensendungen verfolgen.
Wer dagegen den ukrainischen Auslandssender „Radio Ukrajina“ einschaltete, bekam das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein: Mit keinem Wort wurden die Ereignisse in Moskau erwähnt. Auch das staatliche Fernsehen schwieg hartnäckig. Gegen Mitternacht begaben sich einige Reporter zum Außenministerium, wo ihnen nach längeren Verhandlungen ein Wachposten einen Zettel aushändigte, der seither als offizieller Standpunkt der Ukraine durch die Welt geht: „Die unverantwortlichen und abenteuerlichen Einfälle des russischen Parlaments haben ein Echo gefunden“, beginnt die Unterstützungserklärung für Jelzin, „die russische Demokratie ist in Gefahr.“ Hingewiesen wird darin auch auf die „Konsequenzen für die ganze Region“: Am Sonntag war ein Emissär der Jelzin- Gegner beim Oberkommandierenden der Schwarzmeerflotte aufgetaucht. Ebenso wie im benachbarten Weißrußland liegen auch in Kiew die Sympathien von Präsident und Opposition bei Jelzin, die der Parlamentsmehrheit dagegen bei dessen Gegnern.
Eher zurückhaltend waren dagegen die Erklärungen der polnischen Regierung. Nach der Auflösung des Parlaments durch Jelzin hatte sich Außenminister Skubiszewski in den westlichen Chor der Jelzin-Anhänger eingereiht. Polens linke Wahlsieger erklärten dagegen, daß Skubiszewski zwar auch für sie gesprochen habe, doch zögen sie eine vorsichtigere Haltung vor. Polen solle sich aus der innerrussischen Auseinandersetzung heraushalten. Und so erklärte Skubiszewski am Sonntag denn auch nur, daß Polen das Blutvergießen bedauere und weiterhin für demokratische Reformen eintrete. Erst am Montag vormittag, als bereits deutlich war, daß der russische Präsident sich durchsetzen wird, interpretierte der Außenminister seine nächtliche Stellungnahme als Parteinahme für Jelzin: „Polen unterstützt die Reformen in Rußland, also unterstützt es Jelzin, der demokratisch gewählt wurde.“ K. Bachmann, Warschau
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