Polizei eröffnet Gleimtunnel

■ Traurige Eröffnung ohne Prominenz / Frühstücks-Blokade wurde geräumt / Kampf um Gleimtunnel geht weiter: BV will Autos zählen und Abgase messen

Verkehrspolitik in Berlin wird immer trauriger. Gestern wurde eine historische Ost-West-Straßenverbindung wiedereröffnet, doch es gab kein Schmuckband, keinen Senator mit Schere, keine offiziellen Reden. Und das, obwohl der Landesregierung die Wiederherstellung des Gleimtunnels so wichtig gewesen ist, daß sie sich gegen den Willen der beiden Bezirke Wedding und Prenzlauer Berg durchgesetzt hatte, die das Bauwerk für den Autoverkehr geschlossen lassen wollten. Zum Glück war wenigstens die Polizei mit 40 Beamten angerückt – sonst wäre überhaupt niemand dagewesen, der den Tunnel unter einem alten Bahndamm eröffnet hätte.

Für Stimmung sorgten allein die rund sechzig Anwohner und Vertreter von Verkehrsinitiativen. Sie waren dem Aufruf der Betroffenen-Vertretung (BV) Falkplatz gefolgt, und hatten Tische, Stühle, Decken, Kaffee und Brötchen zu dem „Blockade-Frühstück“ mitgebracht. Der 64jährige Erwin Burkert war enttäuscht, denn morgens um neun Uhr wollte sich kaum jemand für seine heiße Knoblauchsuppe erwärmen. Der Vorruheständler protestierte, damit seine Enkelkinder in der Gleimstraße nicht von den „blöden Autorasern“ überfahren werden. Offiziell wird auf der neuen Verbindung zwischen Schönhauser Allee und Brunnenstraße mit täglich 10.000 Autos gerechnet. Michael Nelcken von der BV Falkplatz kannte einen großen Teil der illustren Frühstücksgesellschaft. Und die Polizei wiederum kannte den 41jährigen Sozialwissenschaftler, denn dieser hatte die Blockade polizeilich angemeldet.

Obwohl die ganze Veranstaltung Volksfestcharakter hatte, war der leitende Polizeibeamte doch verunsichert. Immer wieder glaubte er, Leute „aus der Prenzlberger Besetzerszene“ auszumachen, die ihm offenbar höchst gefährlich zu sein scheint. Immer wieder beruhigte BV-Sprecher Nelcken mit den Worten: „Nein, nein, den (oder die) kenne ich.“

Die Räumung begann dann kurz vor 10 Uhr. Aus dem Polizeilautsprecher schallte es: „Wir bitten Sie höflichst, die Straße zu verlassen.“ Das taten dann auch die meisten, als sich die Bereitschaftspolizei unter die Leute mengte. Ein Rest von zwei Dutzend Blockierern wollte aber weggetragen werden. Diesen Wunsch erfüllte die Polizei, ohne daß es zu nennenswerten Zwischenfällen gekommen ist.

Der Kampf um den Gleimtunnel aber gehe weiter, kündigte Nelcken an. Die Betroffenen-Vertretung werde nun die Autos zählen und Schadstoffe messen. Ein Straßenkehrer-Lastwagen und eine Wanne passierten als erste den Tunnel. Dirk Wildt