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Musterfrauen

■ Nur Zierliches in einer „lokalen Frauengeschichte“ Potsdams

Daß es in Potsdam auch Frauen gibt, ahnte man bereits. Jetzt kann man sicher sein. Und man weiß auch, wie sie sind und waren: vorbildlich. Diszipliniert, intellektuell, musisch, selbständig, mit den kulturellen Größen ihrer Zeit auf du und du – eine Zierde ihres Geschlechts. Die „Potsdamer Frauen“, in dem von Gabriele Schnell herausgegebenen Bändchen von ihr und drei weiteren Autorinnen geschildert, unterscheiden sich von den Frauen anderer Städte auch dadurch, daß es unter ihnen in den letzten 100 Jahren keine Dienstmädchen oder Arbeiterinnen gegeben hat. Alle sind adliger oder bürgerlicher Herkunft.

Natürlich ist nichts dagegen zu sagen, daß Gabriele Schnell (auch eine Potsdamerin) zehn mustergültige Frauenbiographien skizziert und in einem Buch zusammenfaßt. Nur der Anspruch, damit „ein Stück lokaler Frauengeschichte“ zu schreiben, macht die ganz und gar nicht repräsentative Auswahl mißlich. Zur Sache selbst. Bei den zwischen Ende des letzten und Mitte dieses Jahrhunderts geborenen Damen handelt es sich im einzelnen um: Clara Hottbauer – eine christliche und stiftungsfreudige Fabrikantengattin; Elisabeth Becker – eine proressive Erzieherin und Organistengattin; Erika von Hornstein – Malerin, Autorin, Filmemacherin; Maimi von Mirbach – Musikerin und pflichtbewußte Menschenfreundin; Eva Foerster – Sängerin und hingebungsvolle Gärtnersgattin; Hanna Grisebach – zum Christentum konvertierte Jüdin, Kunsthistorikerin und Galeristin; Margarete Buber- Neumann – Kommentar überflüssig (beschrieben wird ihr Weg von der Kommunistin zur Antikommunistin). Renate Brand – Webkünstlerin; Jutta Wachowiak – Kommentar (fast) überflüssig: eine Schauspielerin, für die auch die Welt diesseits der Bühne existiert; Annette Flade – Pastorin und Mitbegründerin des Neuen Forums.

Auf jeweils zehn bis fünfzehn Seiten wird versucht, ein Leben nachzuvollziehen und einen Charakter zu umreißen. Das ist schwer und gelingt auch nur in dem Maße, in dem sich die Frauen durch ihre Taten selbst charakterisieren. Bekommt man erzählt, was sie in der Vergangenheit gedacht und empfunden haben, so wird ein in dieser Form unmöglich vorhandener Innenblick vorgegaukelt, der sofort mißtrauisch macht. Woher kann Gabriele Schnell wissen, ob Maimi von Mirbach als Jugendliche ein antisemitisches Buch aus „Ekel“ wirklich „in die Ecke geworfen hat“? Hier wird doch Erinnerungskitsch als Fakt übernommen, der der Sache mehr schadet als nützt. Oder im Falle Wachowiak: „Ihre Stärke ist es, da, wo sie sich jeweils befindet, immer ganz dazusein, mit der vollen Konzentration, der ganzen Aufmerksamkeit.“ Das klingt gut, aber wie äußert sich das? Hat Carolin Lorenz gemerkt, daß es so ist? Woran?

Die Geschichte Potsdams hingegen kommt nur selten vor. Wie haben diese Frauen die ehemalige Garnisonsstadt und ihre Bewohner unter den Nazis und zu SED- Zeiten wahrgenommen? In solchen Auskünften hätte die Stärke des Buches liegen können. Statt dessen wird der nie geforderte Beweis erbracht, daß auch in Potsdam mindestens zehn selbständige Frauen gelebt haben — oder noch leben. Die Autorinnen waren sich nicht im klaren darüber, was sie warum und mit welchen Mitteln zum Ausdruck bringen wollen. Lorenz schreibt über Elisabeth Becker beispielsweise stets als „die Frau“ und berichtet in einer prophetisch anmutenden Zukunftsform über eine individuelle Vergangenheit. Das geht nicht auf. Zudem sind die Texte schlecht redigiert. „Beide heiraten“ steht dort, wo gemeint ist, daß zwei einander heiraten. Oder: Ein Schicksal „vollendet sich“. Das sind Kleinigkeiten, die aber symptomatisch sind für einen bedauerlichen Mangel an Reflexion, Konzeption und Ausführung dieser Anthologie. Eine eher unnötige Publikation. Petra Kohse

Gabriele Schnell (Hg.): „Potsdamer Frauen“. Potsdamer Verlagsbuchhandlung, 142 S., 12,80 DM

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