Jelzin verbietet Nationale Rettungsfront

Ihr gehören kommunistische und nationalistische Organisationen an / Ihr Ziel war es, Jelzin zu stürzen / Verboten wurde außerdem die antisemitische Pamjat  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Parallel zur Verhängung der Ausgangssperre verfügte Präsident Jelzin ein Dekret, in dem das Wirken einer Reihe extremistischer Organisationen untersagt wurde. Die einflußreichste unter ihnen ist die Sammlungsbewegung Nationale „Rettungsfront“ NRF. Ihr gehörten prokommunistische und nationalistische Unterorganisationen an. Sie selbst bezeichnete sich als die „kompromißlose“ Opposition. Seit die „Bürgerunion“ als zentristische Kraft zerfiel, avncierte die „Front“ zur stärksten Fraktion im Parlament. Die Bürgerunion von Alexander Ruzkoi hat in den politischen Flügelkämpfen der letzten Monate ihre Bedeutung eingebüßt. Denn der frühere Vizepräsident schlug sich bei der innerparteilichen Richtungsdiskussion offen auf die Seite der nationalistischen Opposition.

Allianzen und Mitgliedschaften innerhalb der NRF sind fließend. In jüngster Zeit haben sich einige nationalistische Organisationen abgespalten, unter anderem weil sie nicht mit kommunistischen Gruppen zusammenarbeiten wollten. Aber auch andere ideologische Differenzen offenbarten sich innerhalb der Front. Einer ihrer ehemaligen Ideologen, der Vorsitzende der nationalrepublikanischen Partei Rußlands, Nikolai Lysenko, schied aus der Front aus und kündigte an, eine neue Organisation zu gründen. Diese soll „ein für allemal die Verbindungen zu solchen Leuten kappen, die nicht zwei Sätze sagen können, ohne von jüdisch-freimaurerischem Komplott“ zu sprechen.

Differenzen innerhalb der Führung der NRF, zwischen Michail Astafew und Ilja Konstantinow, machen sich an „tiefergehenden“ Fragen fest. Konstantinow sieht die Misere Rußlands in der Wirtschaftspolitik der 60er Jahre. Sein Gegenpart Astafew beschreibt das Übel anders: „Das russische Territorium ist von Völkern bewohnt, die sich in verschiedenen Stufen der Zivilisation mit unterschiedlichen Wertesystemen befinden... Das russische Volk steht unter ernstem Druck. Die zentralasiatischen und transkaukasischen Völker haben gewonnen.“

Der Block der NRF hat sich aus taktischen Gründen zusammengetan, um Jelzin zu stürzen. „Wir müssen endlich aufhören, nach den Regeln zu spielen, durch die unsere politischen Opponenten uns binden. Entweder wir gehen zu entscheidenden Handlungen über und fegen das kriminelle Regime weg oder wir verlieren Rußland“, sagte Konstantinow Ende Juli. Der letzte Kongreß der NRF beschloß, alle Macht den Sowjets zurückzugeben, eine Regierung der nationalen Rettung zu bilden, die vom Volksdeputiertenkongreß unterstützt und mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet werden sollte. Das Präsidentenamt wollten sie abschaffen.

Die Sammlungsbewegung verfügt über keine einheitliche und kohärente Ideologie, geschweige denn Programmatik. Sie ist ein Kampfbündnis. Das, was man ihren publizistischen Auslassungen entnehmen kann, läßt keine Zweifel an ihren totalitären und teilweise faschistischen Überzeugungen aufkommen. Im August warnte der russische Generalstaatsanwalt, in den Dokumenten des zweiten Kongresses der „Front“ seien Formulierungen, die als Aufruf zum bewaffneten Umsturz interpretiert werden könnten. Ihre interne Organisation lehne sich an den „demokratischen Zentralismus der KPdSU“ an.

Auf der Suche nach der Macht ging der ehemalige Parlamentsvorsitzende Chasbulatow mit der „Front“ ein Bündnis ein. Vorstandsmitglieder der NRF, Isakow und Smirnow, begrüßten und billigten Chasbulatows Beistand. Seine ideologische „Straffung“ stellte der Parlamentspräsident durch entsprechende Artikel zur „russischen Idee“ unter Beweis. Besonders freuten sich die Nationalisten über Chasbulatows „unverblümten Griff“ nach der Ukraine. Die NRF bot Alexander Ruzkoi Ende August an, ihm dabei behilflich zu sein, Präsident zu werden. Er hatte sich durch Reden, die Sowjetunion wiederzuerrichten, besonders verdient gemacht. Auch Verfassungsrichter Sorkin suchte immer mehr die Nähe der Bewegung. Der NRF gehörte auch die nun verbotene „Offiziersunion“ an. Ihr Vorsitzender Terechow leitete vorletzte Woche den Anschlag auf das GUS-Hauptquartier, bei dem drei Menschen ums Leben kamen. Eine andere der gestern verbotenen Organisationen ist „Pamjat“ (Gedächtnis). Sie wirkte schon während der Perestroika, hat ein offen antisemitisches Programm und ist paramilitärisch organisiert. Mehrfach rief sie zu Pogromen auf und drohte mit Briefwurfsendungen jüdischen Bürgern, die Schuld am Zerfall der UdSSR seien. Alle verbotenen Organisationen streben nach dem alten Imperium.

Unter das Verbot fielen auch die Zeitungen Sowjetskaja Rossija, Den und Prawda. Alle sind Sturmblätter geworden, die nicht davor zurückschrecken, rassistische und antisemitische Positionen zu verbreiten und die Souveränität der neuen GUS-Länder offen in Frage zu stellen.