Jelzin sichert seinen Sieg

■ 834 Personen in Moskau festgenommen / Mindestens 89 Tote / Verbot von 16 Organisationen

Moskau (taz/dpa) – Nach der Kapitulation der bewaffneten Opposition hat die Kreml-Führung weitere Schritte zur Absicherung ihres Sieges über die Putschisten eingeleitet. So verbot das Justizministerium vorübergehend 16 nationalistische und kommunistische Parteien und Bewegungen. Sie sollen die Rebellion gegen Boris Jelzin unterstützt und an den Kämpfen am Weißen Haus beteiligt gewesen sein.

Verschoben wurde die für Dienstag angesetzte Sitzung des Föderationsrates: die „Leitung des Landes“ müsse zuerst die Lage in Rußland analysieren. Schließlich hätten einige Regionalparlamente den Aufstand unterstützt. Aus dem gleichen Grund seien auch die Gouverneure der Gebiete von Nowosibirsk und der Amur- Region abgelöst worden.

Aktiv wurde am Dienstag auch der Moskauer Oberbürgermeister Juri Luschkow. Er löste den zentralen Moskauer Stadtrat sowie die 30 Sowjets der Bezirke der Hauptstadt auf. Statt dessen soll nun ein Stadtparlament gewählt werden. Für die Dauer des Ausnahmezustands soll die Einreise nach Moskau begrenzt und die Ausreise kontrolliert werden. Kundgebungen und Demonstrationen sind verboten.

Die genaue Zahl der Opfer der vergangenen Tage war auch am Dienstag weiterhin unklar. Das Präsidentenamt teilte mit, daß vor dem Paralementsgebäude 89 Tote gezählt worden seien, im Weißen Haus hätte man bisher 50 Leichen geborgen. In Moskau wurden nach Angaben des Innenministeriums insgesamt 834 Personen festgenommen. Außerdem ordnete die Generalstaatsanwaltschaft die Verhaftung der Führer der „Nationalen Rettungsfront“ sowie der Bewegung „Rußland der Arbeit“ an. Die beiden Politiker hatten am Sonntag abend den Sturm der Jelzin-Gegner auf das zentrale Fernsehgebäude angeführt. Ebenfalls festgenommen wurden die Minister der Gegenregierung sowie der Leiter der „Verteidigung“ des Weißen Hauses, General Makaschow. In St.Petersburg forderten nach der Festnahme des TV-Moderators Alexander Newrosow 1.500 Demonstranten den „Tod Jelzins“. Der bekannte Journalist hatte in seiner Sendung „600 Sekunden“ mehrmals zum Widerstand gegen Jelzin aufgerufen.

Die Lage um das Weiße Haus hatte sich am Dienstag beruhigt. Die Feuerwehr bekämpfte die letzten Schwelbrände. In der Nacht hatten sich die letzten Verteidiger noch Feuergefechte mit Spezialeinheiten der Armee geliefert. Schießereien hatte es auch in anderen Teilen der Stadt gegeben.

Kurz vor seiner Festnahme hatte der ehemalige Vizepräsident Ruzkoi französischen Fernsehjournalisten ein Interview gegeben. Darin präsentierte er sich und seine Anhänger als Opfer unnötiger Gewalt. Ruzkoi erklärte, die Regierungstruppen hätten auch geschossen, als Frauen und Kinder in Sicherheit gebracht werden sollten. „Sie sagen, ich hätte geschossen. Aber seht diese Waffe, da ist noch Fett drin.“ Auch der frühere Parlamentspräsident Chasbulatow versicherte, er habe nie einen Angriff auf das Fernsehgebäude befohlen. her Seiten 8 und 10