„Es ist ein neuer Soldat, den wir brauchen“

■ Kommandeurtagung der Bundeswehr: Generalinspekteur Naumann fordert Ende der Sonderrolle Deutschlands im Nato-Bündnis / Weizsäcker für allgemeine Dienstpflicht

Mainz (taz) – Auf der 34. Kommandeurtagung der Bundeswehr in Mainz gab es schon am Eröffnungstag „erste Opfer“. Der Generalinspekteur der Truppe, General Klaus Naumann, monierte, daß die Frauen der hochdekorierten Soldaten im Auditorium die Reise nach Mainz und den Aufenthalt im gebuchten „Hilton“ aus eigener Tasche bezahlen mußten. Naumann mit Blick auf Sparkommissar Volker Rühe: „Angesichts der Preisentwicklung in Deutschland kann hier durchaus von einer ,Opferrolle‘ gesprochen werden.“

In seiner „Standortbestimmung“ machte der Generalinspekteur dann deutlich, daß die in der sogenannten Charta von Paris beschworene friedliche „Neuordnung in Europa“ ein Wunschtraum geblieben sei. Im Gegenteil sei „Krieg nach Europa zurückgekehrt“. Es wäre „gerade in diesen Zeiten potentieller Krisen und Konflikte“ notwendig, daß die Länder der Nato und der KSZE Geschlossenheit zeigten – „und die Entschlossenheit, zur Erhaltung des Friedens notfalls zu kämpfen“. Rechts- und Friedensbruch dürften nicht geduldet werden, wenn man zur Realität des Friedens zurückfinden und das Vertrauen in Organisationen wie die UNO erhalten möchte. Das sei, so Naumann, eine Lehre aus der Tragödie in Bosnien.

Auch deshalb forderte der Generalinspekteur von der politischen Führung die rasche Klärung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr, denn „Eingreifen heißt Durchgreifen“. Zwar könne das weltweite Peacekeeping nicht die primäre Aufgabe der Nato und damit auch der Bundeswehr werden. Doch Deutschland müsse bereit sein, seine Pflichten als UNO- Mitglied ohne Einschränkung zu übernehmen: „Ich hoffe auf eine Lösung, die unser Land politisch handlungsfähig hält, ihm eine Sonderrolle erspart, nun, da wir die Sonderrolle des geteilten Landes überwunden haben.“ Damit die Bundeswehr dann ihre Aufgaben „voll erfüllen“ könne, forderte Naumann von der Truppe eine geistig-moralische Wende: „Es ist der neue Soldat, den wir brauchen. Und er muß ein gut informierter, ein empfindsamer, ein denkender Soldat sein.“ Naumann schwärmte: „Wir brauchen Kämpfer, die in schwierigster Lage Selbstbeherrschung, Einfühlungsvermögen und Verständnis für ihr Umfeld und Zurückhaltung im Gebrauch militärischer Macht, aber doch Entschlossenheit zeigen, auch bei Friedenseinsätzen der UNO oder anderer Institutionen.“

Der als Gastredner geladene zivile Bundespräsident Richard von Weizsäcker würdigte dagegen gerade das „Bild“, das deutsche Soldaten zur Zeit schon im Ausland vermittelten: bei der humanitären Hilfe für Somalia, der sanitätsdienstlichen Unterstützung in Kambodscha, der Versorgung der bosnischen Bevölkerung aus der Luft, der Seeaufklärung an der Adria und der UNO-Inspektion im Irak. Die Debatte um die Auslandseinsätze der Bundeswehr, so Weizsäcker, werde mit „einseitiger Zuspitzung und Verbissenheit“ geführt. Dabei sei die weitaus größere und schwierigere Herausforderung für die Truppe die Umstrukturierung nach der Einheit. Weizsäcker forderte, eine allgemeine Dienstpflicht „als Ergänzung zur Wehrpflicht ernsthaft zu prüfen, trotz ungelöster Fragen wie denen der Kosten und einer gerechten Einbeziehung der Frauen“. Damit könnte auch das Problem der mangelnden Dienstgerechtigkeit gelöst werden. Wenn heute etwa ein Viertel aller Wehrpflichtigen weder Wehr- noch Zivildienst leiste, so leide die Solidarität in der Gesellschaft. Klaus-Peter Klingelschmitt