93er Standardklasse

■ Immer mehr im Gespräch: Martin Honert, Träger des „Kunstpreises der Böttcherstraße“

Auf den kann man sich einigen: An Martin Honerts schöner Modellbaukunst muß eigentlich ein jeder Kunstbetrachter Gefallen finden. So erging es auch der Jury, die Honert den mit 30.000 Mark dotierten „Kunstpreis der Böttcherstraße“ zusprach.

Honert, Baujahr 1953, lernte sein Handwerk an der Düsseldorfer Kunstakademie, der derzeit aktuellen Talentschmiede für angesagte Konzeptkunst. Honerts Konzept beruht im Prinzip auf der plastischen Nachbildung von Erinnerungsbildern: Schlüsselszenen der Honertschen Kindheit und Jugend leben hier wieder auf, mal recht melancholisch gefärbt, mal einfach nur bildschön, aber stets irgendwie sympathisch - auch, weil Honert uns den handelsüblichen Zierat an gelehrten und irgendwie ironischen Zitaten erspart, mit dem die Mehrzahl der Bildhauerkollegen ihre Kunst am Leben hält.

Honerts Kunst aber kommt ganz geradeheraus. Die Museen kaufen bereits, und schon wird er als Kandidat für den deutschen Pavillon der nächsten Biennale genannt. Am kommenden Sonntag, 10.10., bekommt Honert erstmal in der Kunsthalle den Bremer Kunstpreis namens des Stifterkreises verliehen. Der taz erzählte Honert über seine Arbeitsweise und wie er drauf kam.

taz: Manchmal kann ich nur staunen, wie unbekümmert und direkt junge Künstler wie Sie oder Stephan Balkenhol ihre Figuren präsentieren. Man könnte meinen, Ihre Generation erfände gerade die gegenständliche Plastik neu.

Martin Honert: Ja, das würde ich für mich schon in Anspruch nehmen. Man kann da zwar alles mögliche herbeizitieren. Aber im Prinzip möchte ich mir ziemlich direkt ein Bild machen und das dann so gradlinig wie möglich darstellen.

Sie sprechen meistens von Bildern, auch wenn Sie über ihre Plastiken reden. Warum?

Bild im Sinne von: ein inneres Bild haben. Bild ist für mich ein umfassender Begriff. Das kann sich auf Video und Film beziehen, also bewegte Bilder, auf Malerei und ebenso auf Plastik. Plastik ist ja auch Bild-Hauerei, im Wort steckt dieser Begriff schon drin. Und ich springe ja auch ständig zwischen zweiter und dritter Dimension, zwischen Malerei und Plastik.

Wann haben Sie sich für diese besonders naturalistische Form entschieden?

Wenn ich das Bild eines Feuers verwirklichen möchte, dann mach ich ein Feuer. Ich mache ungern Dinge, die auf irgendwas verweisen. Mir geht es nicht um das Wesen des Feuers oder um ein bestimmtes Detail. Das alles meine ich ja nicht. Ich meine das Bild, und meistens bleibt mir eigentlich nichts anderes übrig, als genau das zu machen. Das sieht dann zwangsläufig immer irgendwie realistisch aus. Daran gab es schon auch harte Kritik. Aber ich kann immer wieder nur sagen: Ich will es so einfach wie nur möglich machen.

Aber die Bilder verweisen ja trotzdem auf etwas, nämlich auf Eindrücke aus der Vergangenheit, oft aus den 50er und 60er Jahren. Spielen da eigene Kindheitsbilder eine Rolle?

Ja, zum größten Teil spielen da Kindheitserinnerungen eine Rolle. So aus der Zeit zwischen zehn und fünfzehn Jahren. Aber mein Thema ist eher die Erinnerung überhaupt.

Inwieweit kann denn eine so persönliche Erinnerung auch „Bestandteil einer kollektiven Biografie“ sein, wie es die Bremer Jury ausdrückt?

Julian Heynen hat in seinem Aufsatz im Bremer Katalog den Begriff der Standardisierung benutzt, den finde ich sehr treffend für meine Arbeit. Ich bin immer bemüht, daß das Bild einen Standard darstellt, daß es nicht etwas Außergewöhnliches oder Spezielles ist. Es kommt zwar sehr konkret aus meiner persönlichen Erinnerung. Aber ich bemühe mich, das zu einem allgemeingültigen Zeichen zu machen, zu einem Signet.

Oft wirken diese Erinnerungsbilder wie eingefroren, als ob Sie die Zeit anhalten wollten - wünschen Sie sich das manchmal?

Ja, klar, auf jeden Fall, das ist für mich ein ganz großes Bedürfnis. Die inneren Bilder, von denen wir geredet haben, sind ja sehr flüchtig. Es ist für mich eigentlich der wichtigste Ansporn, diese flüchtigen Bilder der Erinnerung, die so allmählich verblassen, in irgendeiner Weise festzuhalten und erstarren zu lassen, ähnlich wie in einer Fotografie.

Die Bremer Plastik, der Junge am Tisch, entstand die tatsächlich nach einem Foto?

Ja, dadurch wirkt es natürlich in doppelter Weise wie erstarrt und festgefroren.

Damit balancieren Sie als Künstler ja auch stets am Rande des Nostalgischen.

Im Begriff Nostalgie steckt ja das Sehnen, das Trauern um die schönen Dinge, die man verloren hat. Mich interessieren aber nicht die Dinge aus meiner Vergangenheit, die ganz fürchterlich oder ganz wunderschön waren. Mich interessieren nur die Situationen, zu denen ich im Nachhinein ein diffuses Gefühl habe. Wo man nicht so genau weiß, wie man die einordnen soll. Das macht die Sache für mich erst interessant.

Die Arbeiten sind ja sehr aufwendig gemacht, detailreich und manchmal kostbar glänzend. Hat der Arbeitsaufwand für Sie einen eigenen Wert?

Das ist eine Glaubensfrage. Ich glaube daran, daß wenn man sich sehr um eine Sache bemüht, dann wird man es dieser Arbeit auch ansehen. Ich muß meine Sachen sehr, sehr langsam erarbeiten. Ich will schon, daß man dem Bild das ansieht, daß man sieht, daß dieses Bild praktisch errungen ist.

Von der Figur in der Kunsthalle gab es noch eine zweite Version zu sehen, die gerade im Frankfurter Portikus ausgestellt war. Wie kommt eine solche Entscheidung zustande?

Das hat gar nichts zu bedeuten. Das ist einfach die Entscheidung, mehrere Abgüsse zu machen, wenn von einer Arbeit ein Negativ existiert.

Aber von den Museen und auf dem Kunstmarkt werden Ihre Arbeiten doch als Unikate geschätzt.

Ja, das kommt zwangsläufig, weil ich die Sachen am Ende ja immer noch bemalen muß. Ich seh' das nicht als Variation an. Wenn es eine Variation gibt, dann ist mir das eher unterlaufen. Im Prinzip sollen die Sachen identisch aussehen. Aber beim Tisch, meiner letzten Arbeit, da gibt es eine sehr diffizile Bemalung. Da sieht bestimmt nicht eins wie das andere aus. Ich werde mich kaum trauen, mir beide Versionen mal nebeneinander anzusehen. Fragen:tom