Grüner Regierungspräsident im Kreuzfeuer

■ Ultra-konservative Schulbehörde Hannover wirft mit Dreck / Rot-grüne Koalitionskrise nochmal abgewendet

Auch wenn er Mitglied der Grünen ist — für einen nicht unerheblichen Teil der Oberen Schulbehörde im Regierungsbezirk Hannover ist ihr Chef ein rotes Tuch. Seit Wochen versuchen Mitarbeiter dieser Behörde den hannoverschen Regierungspräsidenten Hans- Albert Lennartz von seinem Posten zu schießen. Damit hatten sie es immerhin sogar zu einer richtigen Koalitionskrise der rot-grünen Landesregierung gebracht. Gelangt hat es am Ende doch nicht ganz: Gestern stellte sich Ministerpräsident Schröder vor den grünen Regierungspräsidenten. Und die SPD-Fraktion kündigte an, daß sie einen Entlassungsantrag der CDU heute im Landtag ablehnen wird.

Wie die ganze Geschichte begann, wird in Hannover so erzählt: Anfang September klopfte ein Mitarbeiter der als tiefschwarz bekannten Oberen Schulbehörde mit einem Stapel Akten unterm Arm bei der Bildzeitung an. Die lehnte allerdings ab. Erschienen sind die ersten Vorwürfe gegen Lennartz dann in Springers „Welt“. Hauptvorwurf: Der Regierungspräsident habe in einem Aktenvermerk darum gebeten, daß die Babysitterin seiner Tochter zum zweiten Mal die 12. Klasse wiederholen dürfe. Die „Bitte“ wurde in der Behörde abgelehnt, nach der Veröffentlichung des Vorgangs gestand Lennartz ein, in diesem Fall „unglücklich“ gehandelt zu haben — rechtswidrig allerdings nicht, wie das Innenministerium bestätigte.

Was danach kam, war nur noch der Versuch, mit Dreck zu werfen. Beispiel: Lennartz habe sich persönlich gegen die Versetzung eines Lehrers vom Büchner-Gymnasium in Seelze an das humanistische Ratsgymnasium in Hannover starkgemacht. Die Oldenburger NWZ druckte dazu im Faksimile Originalakten mit Lennartz' handschriftlichen Bemerkungen.

Doch Lennartz hatte mit seinem Eingreifen völlig Recht: Das Ratsgymnasium wollte den neuen Kollegen überhaupt nicht haben, da es bereits 123 Prozent Lehrerüberversorgung hatte; in seiner alten Schule wurde er dagegen gebraucht. Die Personalräte beider Schulen hatten das gegenüber der Behörde schriftlich klargemacht, entschieden wurde dort trotzdem anders. Vermuteter Grund: Der betreffende Lehrer hatte sich ebenso wie zuvor bereits zwei andere ohne Grund versetzte Lehrer der Tellkamp- Schule in Hannover in einem Nicaragua-Projekt engagiert. Tellkamp-Schule und Büchner- Gymnasium unterstützen nämlich gemeinsam den Aufbau einer Berufsschule für Mädchen im nicaraguanischen Estelí — eine Initiative, die der Schulbehörde schon lange mißfällt.

Besondere Sturheit der Behörde und nicht etwa Amtsanmaßung ihres Leiters Lennartz zeigt auch der dritte in die Medien gespielte Fall: Eine Familie in Leerte hatte darum gebeten, daß ihre beiden Kinder auf die gleiche Schule gehen können. Doch die Behörde lehnte mit Verweis auf eine „Schulbezirksgrenze“ ab.

Rund 3.000 solcher Anträge gehen pro Jahr bei der Bezirksregierung ein, 90 Prozent davon wird entsprochen, weil sie einfach sinnvoll sind. Daß sich Lennartz um viele Anträge persönlich kümmern muß, spricht kaum gegen ihn, sondern eher für die Verkrustung der von ihm schuldlos übernommenen Behörde. Dirk Asendorpf