Der revolutionäre Ball

„Wir holten Gastarbeiter, und es kamen Menschen.“

(Max Frisch)

Es wird gerne schwarz-weiß gemalt. Sie logierten sinnigerweise im Hotel „Drei Mohren“. Im Rosenaustadion brillierte nur ein „Mohr“ – Paulo Sergio. Der brasilianische Leverkusener, spielte in Augsburg für die „Bundesliga international“. Der Rest des Ausländer- Teams ist weißer Hautfarbe. So fehlten just jene, die am meisten unter dem rassistischen Gegröle von den Rängen zu leiden haben – Yeboah, Sane, Okocha zum Beispiel. Das Benefizspiel Bundesliga gegen Bundesliga-Legionäre war optisch fader, als es viele normale Partien sind.

Aber es sollte ja partout nichts normal sein an diesem bedeutungsschwangeren Spiel, dem selbst die hohe Politik ihre Aufmerksamkeit schenkte. Der Bundeskanzler meldete sich zu Wort: „Es ist ein Signal für die Weltoffenheit unseres Landes.“ Alle wollten kickend, zuschauend oder nur schön redend demonstrieren. Gegen die Ausländerfeindlichkeit. Für einen neuen Umgang mit den Fremden. Nicht nur in Stadien. Auch in den Köpfen. Ein schöner Traum: Mit Hilfe eines kleinen Balles die Welt verändern.

„Irgendwo sind wir alle immer Ausländer“, durfte Jorginho, der Brasilianer in den Münchner Lederhosen in ein Mikro sagen. Die Ausländerfrage ist eine perspektivische, wir ahnten es schon. Und weil es dabei auf den jeweiligen Standort ankommt, kann auch Thomas Häßler behaupten, er sei ein Ausländer, in Italien eben. Intelligente Profi-Fußballer tun sich leichter mit der Harmonia mundi als der normale Mensch mit Bodenhaftung: Sie sind von Berufs wegen Nomaden. Seit dem Bundesliga-Gründungsjahr 1963 spielten 350 Ausländer für die deutsche Sportschau. Die „Vereinten Nationen“ in der höchsten Spielklasse umfassen derzeit 77 Profis und Vertragsamateure aus vier Kontinenten mit 32 verschiedenen Pässen. „Die Bundesliga ohne Ausländer ist wie ein Klavier ohne schwarze Tasten“, heißt folgerichtig der Slogan der Aktion „Mein Freund ist Ausländer“. Und betrachtet man Spiel wie Ergebnis (2:0 für die Internationalen) ist obiges Motto eine schlichte Existenzfrage der deutschen Fußballkunst. Wer wirbelt im gegnerischen Strafraum, wenn nicht „Gastarbeiter“? Chapuisat beispielsweise, der Dortmunder, pardon, der Schweizer, der beide Tore fabrizierte. Das All-Nationen-Team glänzte vor dem Schein der Lichterkette. Schatten fiel hingegen auf den Weltmeister, welcher das Motto „friedlich miteinander“ etwas zu wörtlich nahm. Vogts: „Wir können von Ausländern viel lernen.“ Was an sich nicht schlimm wäre, wenn, ja wenn, es sich nicht doch um ein Fußballspiel gehandelt hätte, das Bundes-Berti zum Testspiel der Nationalelf verbrämt hatte. Es ging eben nicht nur um publizitätsträchtige Symbolwirkung, sondern ums sportliche Prestige. coh