■ Das Portrait
: Mustafa el-Barsani

Als „Waise des Universums“ hat er sein Volk bezeichnet, und sein Leben lang stritt der legendäre Kurdenführer Mulla Mustafa el-Barsani dafür, dieser Waise Obdach zu verschaffen. Einem eigenen Kurdenstaat galt sein ganzes Streben, Taktieren und Kämpfen. 1979 starb er einsam und verraten im US- amerikanischen Exil. Gestern kehrte Barsani heim: seine im benachbarten Iran begrabene Leiche wurde ins nordirakische Kurdistan überführt. Dort wurde er 1904 geboren, dort ist sein Sohn Massud seit 1992 Präsident einer autonomen Kurdenrepublik. Mustafa el-Barsani paktierte mit allen: mit der Sowjetunion, mit dem Iran, mit den wechselnden Regierungen des Irak, mit den USA, mit dem CIA – und er wurde von allen benutzt, betrogen und fallengelassen. Seine Karriere als Partisanenführer begann er 1946, als für elf Monate der Traum der Kurden Wirklichkeit geworden schien: Mit sowjetischer Unterstützung riefen sie auf iranischem Territorium ihre Republik Mahabad aus. Barsani wurde Verteidigungsminister. Als Stalin die Kurden fallenließ, zerschlug die iranische Armee die Republik und Barsani flüchtete in einem abenteuerlichen Marsch ins sowjetische Exil.

1958 halfen die Kurden beim Sturz der Monarchie im Irak, doch trotz aller Versprechungen gingen sie in der neuen Republik wieder leer aus. Barsani und seine Peschmerga („Die dem Tod entgegen gehen“) begannen ihren Guerillakrieg und brachten die jeweiligen Machthaber in Bagdad mehrmals an den Rand einer Niederlage.

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In dieser Zeit wurde Barsani zu einem Kristallisationspunkt für die kurdische Bewegung. Auch aus der Türkei und Syrien schlossen sich ihm Kämpfer und Intellektuelle an. Seine „Demokratische Partei Kurdistans“ war die Keimzelle vieler heute existierender kurdischer Parteien. 1973 vertraute Barsani den Zusagen von US-Außenministers Kissinger, verbündete sich mit dem Iran und baute seine Guerillatruppe zu einer regulären Armee um. Die Abhängigkeit vom iranischen Nachschub wurde ihm zum Verhängnis: im März 1975 gaben sich der Schah und Saddam Hussein den Bruderkuß und einigten sich über einen neuen Grenzverlauf. Amerikaner und Iraner stoppten als Gegenleistung auf einen Schlag sofort jede Hilfe an die Kurden. Barsani mußte kapitulieren. Endgültig. Kai Strittmatter