piwik no script img

■ Koalition will die Verbrechensbekämpfung verstärkenNur symbolische Handlungen

„Nägel mit Köpfen“ hat der innenpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion Erwin Marschewski in der Verbrechensbekämpfung versprochen. Höhere Strafen bei Körperverletzungen und bei Brandstiftungen, die Kronzeugenregelung soll im Bereich der Organisierten Kriminalität eingeführt werden, auch das öffentliche Zeigen von abgewandelten Symbolen des Nationalsozialismus soll unter Strafe gestellt werden. Ausländische Drogenhändler, so will es die Koalition, sollen schneller abgeschoben werden, Ladendiebstähle schneller zur Verurteilung gebracht und last but not least die sogenannte Sicherungshaft ausgeweitet werden. Die Sicherheitspolitiker der Union und der FDP haben sich bei einem Treffen mit Innenminister Kanther und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger auf einen wahren Gemischtwarenladen verständigt. Nur die versprochenen Nägel mit Köpfen, die muß man sprichwörtlich wie die Nadel im Heuhaufen suchen.

Beispiel Kronzeugenregelung: Sie war heftig umstritten, als sie zeitlich befristet eingeführt und nach zwei Jahren verlängert wurde. Sie sollte, beteuerten die Befürworter der Regelung, ausschließlich für den Bereich des Terrorismus gelten. Sieht man einmal von den RAF-Aussteigern in der Ex-DDR ab, für die die Kronzeugenregelung umständlich zurechtgebogen werden mußte, kam sie bisher gar nicht zur Anwendung. Bestätigt hat sich damit die Befürchtung der Gegner, daß ein einmal eingeführtes neues Instrument über kurz oder lang auch anderweitigen Zwecken zugeführt wird. Symbolisch ist auch der Akt, die Strafandrohungen bei Körperverletzungen verschärfen zu wollen. Unbestritten ist, daß verhängte Strafen etwa im rechtsradikalen Milieu potentielle Täter abschrecken können. Ob allerdings die Ausweitung eines Strafrahmens von fünf auf zehn Jahre zusätzlich abschreckt, darf mit Recht bestritten werden. Wichtiger ist, daß Strafverfolgung überhaupt stattfindet – nach Mölln und Solingen, als die Strafverfolgungsbehörden endlich aus dem Dornröschenschlaf erwachten, ging die Anzahl der schweren Straftaten drastisch zurück. Schließlich das Verbot der Verwendung verwandter Nazisymbole: Sollte es gesetzlich verankert werden, wird es sich nur als Arbeitsbeschaffungsprogramm für Sachverständige erweisen.

Nach wie vor gilt der – auch von Leuthesser- Schnarrenberger – aufgestellte Satz, wonach die rechtlichen Instrumentarien zur Verbrechensbekämpfung ausreichen, wenn sie nur konsequent umgesetzt werden. Wer glaubt, mit ständigem Reden über Strafrechtsverschärfungen die Lufthoheit über die Stammtische zurückerlangen zu können, wird in kürzester Zeit nur Opfer der eigenen Strategie: zum Kronzeugen des eigenen Versagens. Wolfgang Gast

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen